# 1 / 2021
28.01.2021

Kreislaufwirtschaft: Die Position der Wirtschaft

Position der Schweizer Wirtschaft

Ja zu einer intelligent gelebten Kreislaufwirtschaft

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse engagiert sich für eine Wirtschaft, die Umweltschäden vermeidet und natürliche Ressourcen schonend einsetzt. Der Verband begrüsst die Stärkung der Ressourceneffizienz, die Schliessung der Stoffkreisläufe, die Steigerung der Energieeffizienz und das nachhaltige Wirtschaften. Kreislaufwirtschaft vereint im besten Fall diese Prinzipien und trägt darüber hinaus zu interessanten ökonomischen Perspektiven bei.

Die Schweiz hat bereits heute ein hohes Umweltbewusstsein in Wirtschaft und Gesellschaft sowie ein weit entwickeltes Abfallmanagement vorzuweisen. Trotzdem ist nach wie vor Potenzial beim kreativen und kreislauforientierten Umgang mit Rohstoffen vorhanden. Um dieses zu erschliessen und den Wandel der Geschäftsmodelle in diese Richtung zu ermöglichen, ist ein innovationsfreundliches Umfeld unerlässlich.

Entscheidend ist, dass das Verhältnis von Kosten und Nutzen bei der Umsetzung von kreislauffähigen Prozessen stets im Blick behalten wird. Kreislaufwirtschaft soll ökonomisch, technisch und ökologisch Sinn machen. Dabei kommt eine gesamtheitliche Betrachtung zum Tragen: Der ganze Lebenszyklus der Materialien und alle Energieflüsse sind relevant und somit auch die gesamte Wertschöpfungskette. Ansätze für eine umfassende, volkswirtschaftlich fundierte Entsorgungs-, Recycling- und Ecodesign-Politik sind gefragt. 

Konkrete Forderungen

Ganzheitliche Betrachtung praktizieren

Kreislaufwirtschaft wird oft noch mit klassischem Abfallmanagement (d. h. Getrenntsammlungen und Recycling) verbunden. Das heutige Verständnis der Kreislaufwirtschaft bezieht aber auch ganzheitlichere Ansätze mit ein, die sich auf die Nutzungs- und Produktionsphase beziehen. Kreislaufwirtschaftsprinzipien sind nur dann sinnvoll, wenn sie sowohl zu einer ökologischen als auch ökonomischen Verbesserung führen. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Die Etablierung eines einheitlichen und durch die Wissenschaft entwickelten Indikators zur Beurteilung von Kreislaufwirtschaftsmodellen kann dabei nützlich sein. Der ganze Lebenszyklus der Materialien soll in die Analyse einbezogen werden und somit auch die gesamte Wertschöpfungskette: vom Rohstoff bis zum Endprodukt, vom Ecodesign bis zum Recycling. Auch alle Stoff- und Energieströme mitsamt Emissionen und Deponien gehören berücksichtigt. Bei langlebigen Produkten sind die Materialien am Ende der Nutzungsphase nicht immer in einem Zustand, der eine Wiederverwendung ermöglichen würde. Das ist auch der Grund, weshalb eine stofflich-thermische Verwertung in gewissen Fällen weiterhin sinnvoll bleiben wird oder es zum Beispiel für Bauschutt weiterhin Deponien braucht. Weiter ist zu bedenken, dass Sekundärmaterialien für die Umsetzung für Kreislaufmodelle teilweise nicht in genügender Menge und verlangter Qualität verfügbar sind. Ausserdem sind gewisse Sekundärmaterialien heute noch unökonomisch: Recycling-Beton etwa ist gegenwärtig zwar qualitativ hochwertig, aber teuer. In stark exportorientierten Branchen kann die global verteilte Kundschaft eine Rückführung der Produkte und Materialien verhindern. Ausserdem werden langlebige Produkte oft in Sekundärnutzungen von weiteren Akteuren weiterverwendet. Alle diese Faktoren sind bei einer sinnvollen Umsetzung von Kreislaufwirtschaft zu berücksichtigen. Kreislaufwirtschaft soll in Bezug auf alle Nachhaltigkeitsdimensionen Sinn machen.

Technologieneutralität

Die gesetzlichen Grundlagen der Entsorgung und des Recyclings sollen technologieneutral formuliert werden. Statt der Methode (z. B. Separatsammlung) sollten nur die Ziele (z. B. Schadstoffgrenzwerte für Sekundärrohstoffe für eine bestimmte Nutzung) festgehalten werden. Auf diese Weise kann sowohl dem technologischen Fortschritt als auch dem sich ändernden Verhalten der Konsumenten Rechnung getragen werden. Bei der Frage nach einer effizienten Zielerreichung sollten die Schweizer Politik und die Gesellschaft den Mut aufbringen, bestehende Prozesse zu hinterfragen und unkonventionelle Lösungen zu testen. Könnte das Single-Stream Recycling eine attraktive Alternative zum heutigen Handling der Abfallströme darstellen? Ist das Siedlungsabfallmonopol anzupassen? Innovation ist wichtig für die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft und wird gefördert durch die Beschränkung auf Zielvorgaben. Entsprechend sollte eine staatliche und monetäre Innovationsförderung ebenfalls themenunspezifisch und technologieneutral ausfallen. Zur Aufbereitung und zu den Einsatzmöglichkeiten von Sekundärmaterialien sind praxisnahe Forschung und Entwicklung notwendig. Dafür stehen in der Schweiz aber genügend Gefässe zur Verfügung, es braucht keinen spezifischen Fokus auf Kreislaufwirtschaft.

Das Prinzip der Subsidiarität aufrechterhalten

Der Staat sollte nur dann (aber dann auch immer) regulativ eingreifen, wenn die Möglichkeiten der Privatwirtschaft allein nicht ausreichen, Kreislaufwirtschaft sinnvoll in der Schweiz voranzutreiben. Das Regulierungsniveau sollte stets so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig angesiedelt werden. Die Aktivitäten der öffentlichen Hand sollten immer hinterfragt und möglichst gering gehalten werden. Entsorgung und Recycling sollten innerhalb der regulatorischen Vorgaben von privaten Anbietern durchgeführt werden können. Es gibt keinen Grund, dass der Staat selbst entsprechende Unternehmen betreibt. Quantitative Ressourcenziele sind subsidiär und mit der Wirtschaft zusammen zu erarbeiten. Die heutige Basis für gut funktionierende Branchenlösungen darf nicht gefährdet werden. Ebenso sind die zahlreichen privaten Initiativen im Bereich der Kreislaufwirtschaft (siehe oben) vom Staat zu würdigen. Es ist unnötig, dass der Bund eine eigene staatliche Plattform aufzieht.

Sinnvolle Rahmenbedingungen schaffen

Dort wo regulativ eingegriffen wird, sollte dies zu einer Verminderung von Hürden für die Kreislaufwirtschaft führen.

 

  • Eine Angleichung an EU-Normen im Bereich der Kreislaufwirtschaft ist erwünscht, aber keine Regulierungen darüber hinaus. Das heisst, ein sogenannter Swiss Finish ist zu verhindern. Einheitliche Standards mit der EU sind unter anderem in Bezug auf Anforderungen an Verpackungen wichtig. Standards werden auch im Kontext Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle spielen.
  • Die Verwertung von Abfällen muss eine optimale Nutzung von Ressourcen ermöglichen. Eine Priorisierung im Sinne einer Kaskadennutzung von stofflicher, stofflich-thermischer und rein thermischer Nutzung ist einer Deponierung vorzuziehen, sofern dies technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Die aktuelle Gesetzeslage setzt insbesondere im Bereich der rein thermischen Verwertung Fehlanreize und regulatorische Hindernisse (z. B. Siedlungsabfallmonopol), die eine effiziente Nutzung von Abfallfraktionen verhindern.
  • Bauabfälle machen einen Grossteil der Abfälle aus. Entsprechend ist es wichtig, die Baumaterialien im Kreis zu führen und dabei Nachhaltigkeit in allen Aspekten zu verfolgen. Dies bedingt unter anderem, dass nicht nur die CO2-Emissionen bei der Materialproduktion berücksichtigt werden, sondern auch die Recyclingfähigkeit des Baumaterials. 
  • Eine Diskussion, ob es ein Recht auf Reparierbarkeit gibt, ist im Gang. Auch eine Ausweitung der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche steht im Raum. Bereits heute besteht jedoch eine zweijährige Gewährleistungsfrist. Eine Garantie des Herstellers für die von unabhängigen Akteuren reparierten Geräte widerspricht vertragsrechtlich jeglicher Logik und käme einer Kausalhaftung gleich, die sich wohl deutlich auf den Gerätepreis auswirken würde (sofern überhaupt bezahlbar).
  • Für Produkte im B2B-Bereich (Business to Business) sind in der Regel andere Ansprüche relevant als für Produkte des B2C-Bereichs (Business to Consumer). Industrielle B2B-Produkte sind in der Regel langlebige Investitionsprodukte, für die Reparatur, Wartung und Upgrading üblich sind. Diese Unterschiede sind bei allfälligen gesetzlichen Anforderungen an kreislauffähige Produkte zu berücksichtigen. 
  • Die Prozesse sind so auszugestalten, dass sowohl die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden wie auch die Umsetzung von Kreislaufwirtschaft ermöglicht wird. Dies gilt insbesondere bei digitalen Geräten. Gleichzeitig müssen Geschäftsinformationen sorgfältig gehandhabt, nur tatsächlich notwendige Daten weitergegeben und sichergestellt werden, dass Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden.
  • Die Lebensdauer vieler Produkte und insbesondere von elektronischen Geräten ist viel länger als die eigentliche Nutzungsdauer. Für die gesamte Ausschöpfung der Lebensdauer trägt jedoch nicht nur die produzierende Industrie eine Verantwortung, sondern auch die Konsumentinnen und Konsumenten. Gründe für ein verfrühtes Nutzungsende können vielseitig sein: z. B. höhere Effizienz oder erweiterte Funktionalitäten eines neuen Produkts, oder nicht mehr genügender Sicherheitsstandard.