Forscher mit Gesichtsmaske hält Globus in einer Hand

Coronakrise und Folgen für die Umwelt

Das Coronavirus traf uns unvorbereitet. Zur Verhinderung unkontrolliert steigender Infektionszahlen stand das öffentliche Leben zu einem Grossteil während fast zwei Monaten still – in der Schweiz und in vielen anderen Ländern. Als eine Folge davon wird das Schweizer Bruttoinlandprodukt dieses Jahr so stark schrumpfen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wenn der Verkehr und die Industrietätigkeit vermindert werden, bringt dies aber nicht nur eine wirtschaftliche Krise, sondern auch einige interessante Effekte auf die Umwelt mit sich. Ob diese Bestand haben, wird sich zeigen.

Effekte auf Emissionen, Digitalisierung und nachhaltige Anlagen

Noch sind die langfristigen Folgen des Coronavirus in vielen Bereichen nicht abschätzbar. Dennoch gibt es bereits Tendenzen – etwa hinsichtlich CO2-Emissionen, die weltweit während des Lockdowns etwa 17 Prozent abgenommen haben. In der Atmosphäre wird sich die CO2-Konzentration voraussichtlich aber nur marginal verringern, da sich die Emissionen dort über lange Zeit sammeln. Ob CO2-Emissionen auch in der Schweiz mit dem Lockdown rückläufig waren, wird man zwar erst aus der Jahresstatistik ableiten können. Nachgewiesen ist aber, dass in der Schweiz die Stickoxidkonzentration in der Luft nahe vielbefahrener Strassen gesunken ist, der Stromverbrauch zurückging und messbar weniger Strassenlärm vorhanden war. 

Viele der veränderten Verhaltensmuster und auch das Ausmass reduzierter Wirtschaftstätigkeit werden wohl bald der Vergangenheit angehören. Es steht aber fest, dass die Pandemie einen Digitalisierungsschub ausgelöst hat. Homeoffice, Onlineabsatzkanäle, virtuelle Meetings oder Schulunterricht über das Internet wurden zum notgedrungenen Standard und entpuppten sich als Chance, längerfristig neue (und umweltfreundliche) Wege zu beschreiten. 

Was den Finanzmarkt angeht, hat Sustainable Finance in der Krise eine verstärkte Nachfrage verzeichnet. Nachhaltige Anlagen, bei denen Kriterien in den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung positiv hervorstachen, haben zudem bezüglich Rendite vergleichsweise besser abgeschnitten. Der Vermögensverwalter Blackrock wertet das als Bestätigung der hohen Widerstandsfähigkeit, die nachhaltige Anlagen in schwachen Phasen an den Finanzmärkten aufweisen. Nebst solchen unmittelbar beobachtbaren Effekten der Virusbekämpfung lohnt sich auch ein Blick auf Politik und Medien. 

Weniger Aufmerksamkeit für Umweltthemen

Umweltpolitische Themen wurden während des Lockdowns im Parlament nicht beraten. Die dritte und letzte Woche der diesjährigen Frühjahrssession musste aufgrund der sich verschlechternden Situation rund um das Coronavirus abgesagt werden. Dies hat zu einer erneuten Verzögerung der Beratung des neuen CO2-Gesetzes geführt. Auch die Beratung von einigen zusätzlichen Vorlagen im Umweltbereich (wie z.B. zu erneuerbaren Energien oder dem Insektensterben) musste vertagt werden. Die darauffolgende ausserordentliche Session war ausschliesslich der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet. Wie eine Auswertung der Geschäftsdatenbank des Parlaments zeigt, haben die Bundesparlamentarier bis Mitte Juni über 480 Vorstösse zur Coronakrise eingereicht. Zum Vergleich: Das alles dominierende Thema vor den Wahlen 2019 war die Klimapolitik. Zwischen Juni 2018 und Mai 2019 bezogen sich rund 150 Vorstösse auf diese Materie. 

Das Thema Corona war auch in den Medien omnipräsent. Dadurch wurde etwa der Klimadebatte viel Aufmerksamkeit entzogen, wie eine Analyse des Medienbeobachtungsdienstes NR Swiss zeigt. Die Berichterstattung zur Klimadebatte nahm von Februar bis Mai 2020 – im Vergleich zur Vorperiode – um durchschnittlich 50 Prozent ab. In dieser Zeitperiode war auch eine Abnahme der Präsenz von Klimaaktivistin Greta Thunberg zu verzeichnen, während diejenige von Gesundheitsminister Alain Berset und Coronavirus-Delegiertem Daniel Koch umso stärker zunahm. Dass sich während der Coronakrise die politische und mediale Aufmerksamkeit für Umweltthemen vermindert hat, ist als kontraproduktiv für die entsprechenden Anliegen zu werten.

Die Diskussion um die Post-Corona-Umweltpolitik ist bereits gestartet

Eine intakte Umwelt ist ein wichtiger Standortfaktor für die Schweiz. Durch Innovationskraft, technologischen Fortschritt und Effizienz trägt die Wirtschaft bereits heute zu ressourcenschonenden Lösungen bei. Für die Schweizer Wirtschaft sollen optimale Bedingungen vorhanden sein, diese Stärken zu nutzen und in die Welt hinauszutragen. Die Notmassnahmen sollen nicht zum Anlass für einen dauerhaften Ausbau des Staates genommen werden. Technologieverbote, zusätzlicher Aktivismus und sachfremde Verknüpfungen von Geschäften sind zu vermeiden. Es geht um langfristige Wirkung und nicht um kurzfristige Symbolpolitik.

Vielmehr sollten diejenigen Stossrichtungen weiterverfolgt werden, die sich bereits vor der Krise als vielversprechend abgezeichnet haben. Dazu gehört auch die Kreislaufwirtschaft, welche Energie- und Materialkreisläufe optimiert. Auf diese Weise können Abhängigkeiten und Risiken globaler Lieferketten verringert, die regionale Wertschöpfung gefördert und Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen werden. Unter der Voraussetzung, dass sich Kreislaufwirtschaft sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich lohnt, bedeutet dies ein Hoffnungsschimmer gerade in Zeiten der Rezession. 

Auch der Schwung im Bereich nachhaltiger Anlagen lässt sich weiter nutzen. Konkret sind die Bemühungen der Branche hervorzuheben, die durch mehr Transparenz und standardisierte Prozesse die Orientierung im Bereich Sustainable Finance erleichtern wollen. Die Definition, was als «nachhaltige Investition» gilt, steht erst am Anfang. Sie sollte sich auf glaubwürdige wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und dabei sowohl die neuesten technologischen Entwicklungen als auch die Komplexität und Funktionsweise von industriellen Wertschöpfungsketten berücksichtigen.
 

Dieser Artikel erschien in der Reihe «COVID19 & Umwelt» des BAFU