Warum bei der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve keine kon­kre­ten Zah­len ge­nannt wer­den

Unter dem Deck­man­tel «Be­gren­zungs­in­itia­ti­ve» soll die Zu­wan­de­rung aus den eu­ro­päi­schen Län­dern be­schränkt wer­den. Viel ehr­li­cher ist der Name «Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve». Denn um das In­itia­tiv­ziel zu er­rei­chen, müs­sen die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit und damit ver­bun­den das ge­sam­te Ver­trags­pa­ket der Bi­la­te­ra­len I ge­kün­digt wer­den. Wie die Zu­wan­de­rung re­du­ziert wer­den soll, bleibt hin­ge­gen offen. Die In­iti­an­ten nen­nen keine kon­kre­ten Zah­len. Das hat gute Grün­de: Eine star­ke Li­mi­tie­rung der Zu­wan­de­rung in den hie­si­gen Ar­beits­markt würde einen Ver­teil­kampf aus­lö­sen und das wirt­schaft­li­che Wachs­tum brem­sen. Eine schwa­che Li­mi­tie­rung hin­ge­gen macht die Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve über­flüs­sig.

Nie­mand kauft gerne die Katze im Sack. Sie auch nicht? Dann sind Sie gut be­ra­ten, die Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve der SVP am 27. Sep­tem­ber an der Urne ab­zu­leh­nen. Denn bei einem Ja wäre völ­lig offen, wie stark die Ein­wan­de­rung aus den EU- und Efta-Staa­ten tat­säch­lich be­grenzt würde. Im In­itia­tiv­text kann man dazu nichts fin­den. Die In­iti­an­ten spre­chen von einer Zu­wan­de­rung «bis gegen null» oder aber «ein paar Zehn­tau­send Per­so­nen im Jahr». Of­fen­sicht­lich scheut man kon­kre­te Zah­len. Woran liegt das? Für mich gibt es zwei mög­li­che Er­klä­run­gen.

Wer den Ar­beits­markt li­mi­tiert, be­grenzt gleich­zei­tig das Wirt­schafts­wachs­tum.

Würde die SVP eine star­ke Re­duk­ti­on be­kannt­ge­ben, wäre dies zwei­schnei­dig. Si­cher hätte dies Vor­tei­le für das Po­lit­mar­ke­ting. Man wüss­te als Stimm­bür­ge­rin oder Stimm­bür­ger, woran man ist. Dies wie­der­um würde aber nicht allen pas­sen. Die Ar­beits­kräf­te aus dem eu­ro­päi­schen Raum wer­den in der Schweiz drin­gend ge­braucht. Ich denke da bei­spiels­wei­se an un­se­re Un­ter­neh­men in Dienst­leis­tung, In­dus­trie oder in der Land­wirt­schaft. Aber auch in Pfle­ge- oder Ge­sund­heits­be­ru­fen braucht es gut qua­li­fi­zier­tes Per­so­nal aus dem be­nach­bar­ten Aus­land. Das konn­ten wir ge­ra­de in der ak­tu­ell schwie­ri­gen Zeit seit Aus­bruch der Co­ro­na-Pan­de­mie be­ob­ach­ten. Wür­den die In­iti­an­ten aber kon­kre­te Zah­len prä­sen­tie­ren, wären sie auch ge­zwun­gen, Ant­wor­ten zu lie­fern. Unter an­de­rem auf die Frage, wie denn die Kon­tin­gen­te auf die ein­zel­nen Bran­chen und Re­gio­nen ver­teilt wür­den. Wie wären die Zah­len auf­zu­schlüs­seln? Je stär­ker die Re­duk­ti­on der Zu­wan­de­rung aus­fal­len würde, desto här­ter wäre der Ver­teil­kampf zwi­schen den Kan­to­nen und den Bran­chen um die eu­ro­päi­schen Ar­beits­kräf­te. Fer­ner gilt: Wer den Ar­beits­markt li­mi­tiert, be­grenzt gleich­zei­tig das Wirt­schafts­wachs­tum.  

Ohne Be­gren­zung des Wirt­schafts­wachs­tums ist die Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve sinn­los. Das müss­te selbst den Be­für­wor­tern klar sein.

Die In­iti­an­ten könn­ten na­tür­lich auch ein­fach die ma­xi­ma­le Zu­wan­de­rungs­zahl be­wusst hoch an­set­zen. Dann gäbe es kei­nen Ver­teil­kampf. Ja, die Schweiz hatte schon ein­mal ein Kon­tin­gent­sys­tem. Die­ses Sys­tem be­nö­tig­te nicht nur einen recht gros­sen Ver­wal­tungs­ap­pa­rat, es konn­te auch die Zu­wan­de­rung nicht dros­seln. Warum also zu­rück zu einem teu­ren Kon­tin­gent­sys­tem ohne ent­spre­chen­den Nut­zen? Heute li­mi­tiert der hie­si­ge Ar­beits­markt die Zu­wan­de­rung von EU- und Efta-Bür­ge­rin­nen und -Bür­gern.

Im Falle einer An­nah­me der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve ist die zu­künf­ti­ge Aus­ge­stal­tung der Schwei­zer Eu­ro­pa­po­li­tik völ­lig un­klar.

Für mich sind das die bei­den Haupt­grün­de, warum die In­iti­an­ten bis­her keine kon­kre­ten Zah­len nann­ten. Somit ist nicht nur die künf­ti­ge Aus­ge­stal­tung der Schwei­zer Eu­ro­pa­po­li­tik völ­lig un­klar. Es ist eben­so völ­lig offen, wie stark der Ar­beits­markt und damit unser Wohl­stand ne­ga­tiv be­trof­fen wären. Doch wer weiss, viel­leicht wird im spä­te­ren Ver­lauf des Ab­stim­mungs­kamp­fes doch noch Klar­text ge­spro­chen auf­sei­ten der In­iti­an­ten. Viel Zeit bleibt je­doch nicht mehr. So oder so wird die Dis­kus­si­on über Zah­len wei­te­re Nach­tei­le der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve zum Vor­schein brin­gen.