London

BREX­IT: Spiel mit dem Feuer trifft auch die Schweiz

Am EU-Rats­gip­fel in Brüs­sel dis­ku­tier­ten die Staats­chefs der 27 EU-Mit­glied­staa­ten (EU-27) über den Stand der Aus­tritts­ver­hand­lun­gen mit Gross­bri­tan­ni­en. Er­neut kam es nicht zum drin­gend be­nö­tig­ten Durch­bruch. Damit er­höht sich die Wahr­schein­lich­keit für einen «No Deal» von Tag zu Tag. Das be­deu­tet auch für die Schwei­zer Wirt­schaft nichts Gutes.

Er­war­tet wurde ei­gent­lich, dass die Mit­glied­staa­ten ges­tern am EU-Rats­gip­fel an­ge­sichts sub­stan­zi­el­ler Fort­schrit­te in den Ver­hand­lun­gen end­lich grü­nes Licht für einen Brex­it-Son­der­gip­fel im No­vem­ber geben wür­den. EU-Rats­prä­si­dent Tusk er­klär­te je­doch, dass vor­erst kein An­lass dazu be­ste­he. Damit ist wei­ter­hin völ­lig un­klar, ob eine Ei­ni­gung recht­zei­tig aus­ge­han­delt wer­den und ein un­ge­re­gel­ter, har­ter Brex­it ab­ge­wen­det wer­den kann. Die Chan­cen dürf­ten der­zeit bei knapp 50 Pro­zent lie­gen.

Was wei­ter un­klar ist

Nicht viel, aber das Wich­ti­ge. Alles hängt zur­zeit an der Frage, ob für die Re­ge­lung der in­ner­i­ri­schen Gren­ze eine all­seits ak­zep­ta­ble Lö­sung ge­fun­den wer­den kann. Soll Nord­ir­land für eine be­fris­te­te Zeit wei­ter­hin in der EU-Zoll­uni­on in­te­griert blei­ben? Wird eine neue Zoll­uni­on zwi­schen der EU und dem Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich aus­ge­han­delt? Soll Gross­bri­tan­ni­en an ihrer Gren­ze für Im­por­te in die EU deren Zoll­sät­ze an­wen­den?

Schliess­lich ist auch un­klar, ob die EU und Gross­bri­tan­ni­en für den Zeit­punkt des Brex­its (29. März 2019) aus­rei­chend Vor­keh­run­gen für den Fall eines «No Deals» ge­trof­fen haben. Dazu zäh­len etwa zu­sätz­li­che Res­sour­cen und In­fra­struk­tu­ren am Zoll oder der Auf­bau von Pro­dukt­zer­ti­fi­zie­rungs­be­hör­den. So­wohl die EU wie auch Gross­bri­tan­ni­en haben hier­zu zwar eine Reihe von Do­ku­men­ten pu­bli­ziert. Die ge­plan­ten Mass­nah­men müs­sen je­doch nicht nur auf Pa­pier, son­dern auch in der Rea­li­tät funk­tio­nie­ren.

Was klar ist 

Die Zeit für eine Lö­sung läuft bald ab. Be­steht zwi­schen der EU und Gross­bri­tan­ni­en bis im No­vem­ber keine Ei­nig­keit, reicht es für die eben­falls not­wen­di­ge Ra­ti­fi­ka­ti­on im EU- und bri­ti­schen Par­la­ment kaum mehr bis zum Brex­it. Selbst wenn eine po­li­ti­sche Ei­ni­gung noch recht­zei­tig er­fol­gen soll­te, wird der Brex­it nicht ohne wirt­schaft­li­chen Scha­den in Eu­ro­pa aus­ge­hen. Dies trifft ins­be­son­de­re KMU, die sich beim Han­del mit Gross­bri­tan­ni­en bis­her im EU-Bin­nen­markt be­wegt haben oder aus Res­sour­cen­grün­den bis­lang kaum Vor­be­rei­tun­gen für einen har­ten Brex­it tref­fen konn­ten.

Dabei geht es nicht nur um hö­he­re Zölle und War­te­zei­ten an der Gren­ze, son­dern eben­so um nicht­ta­ri­fä­re Han­dels­hemm­nis­se in Form von zu­sätz­li­chen Zer­ti­fi­zie­run­gen und Li­zen­zen, um die Ver­füg­bar­keit von aus­län­di­schen Fach­kräf­ten oder bei Fi­nanz­trans­ak­tio­nen und der Ka­pi­tal­be­schaf­fung. 

Was dies für die Schweiz be­deu­tet 

Nichts Gutes. Gross­bri­tan­ni­en ist der fünft­wich­tigs­te Ex­port­markt für die Schweiz und ein wich­ti­ger In­ves­ti­ti­ons­stand­ort für Schwei­zer Un­ter­neh­men. Auf­grund der engen wirt­schaft­li­chen Ver­flech­tun­gen in Eu­ro­pa ist des­halb eine bi­la­te­ra­le Lö­sung mit Gross­bri­tan­ni­en nicht in allen Be­rei­chen aus­rei­chend, um den Sta­tus quo nach dem Brex­it er­hal­ten zu kön­nen. Dazu zäh­len etwa Zoll- und Ve­te­ri­när­fra­gen, Ur­sprungs­re­geln oder Fra­gen der ge­gen­sei­ti­gen An­er­ken­nung von Pro­dukt­stan­dards. 

Das Spiel mit dem Feuer trifft also di­rekt auch die Schweiz und hie­si­ge Un­ter­neh­men. Je län­ger zwi­schen der EU und Gross­bri­tan­ni­en Un­si­cher­heit be­steht, desto we­ni­ger Zeit haben auch Schwei­zer Fir­men, sich an die neuen – schlimms­ten­falls un­ge­re­gel­ten – Ver­hält­nis­se an­zu­pas­sen. 

Was die Schwei­zer Wirt­schaft jetzt braucht 

Klar­heit und Rechts­si­cher­heit. Es ist nicht nur für die Fir­men höchs­te Zeit, sich auf ein mög­li­ches «No Deal»-Sze­na­rio vor­zu­be­rei­ten. Po­li­tik und Ver­wal­tung sind auf­ge­ru­fen, ihre An­stren­gun­gen im Rah­men der «mind-the-gap»-Stra­te­gie zu in­ten­si­vie­ren. Auf­grund der Ab­hän­gig­kei­ten von den Ver­hand­lun­gen EU-UK ist zu er­war­ten, dass wich­ti­ge han­dels­re­le­van­te As­pek­te in den Be­zie­hun­gen zu Gross­bri­tan­ni­en nicht recht­zei­tig ge­re­gelt wer­den kön­nen. Ent­spre­chend er­war­tet die Wirt­schaft von den zu­stän­di­gen Be­hör­den ein ef­fek­ti­ves Kri­sen­dis­po­si­tiv, zen­tra­le An­lauf­stel­len und prag­ma­ti­sche Lö­sungs­an­sät­ze – vor, wäh­rend und nach dem Brex­it. 

Obers­tes Ziel bleibt wei­ter­hin, eine Schlech­ter­stel­lung der Schweiz in ihren Be­zie­hun­gen zu Gross­bri­tan­ni­en zu ver­mei­den. Un­ab­hän­gig der Chan­cen, wel­che der Brex­it bie­ten kann, ge­winnt kurz­fris­tig pri­mär das wirt­schaft­li­che Scha­den­s­po­ten­zi­al eines har­ten Brex­it an Kon­tu­ren. 

Für Un­ter­neh­men mit kon­kre­ten Fra­gen un­ter­hält eco­no­mie­su­is­se eine zen­tra­le An­lauf­stel­le: brex­it@​eco​nomi​esui​sse.​ch.