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Zu­wan­de­rung: Wirt­schaft for­dert Schutz­klau­sel und An­stren­gun­gen der pri­va­ten und staat­li­chen Ar­beit­ge­ber

Die Spit­zen­ver­bän­de der Schwei­zer Wirt­schaft schla­gen ein drei­tei­li­ges Mo­dell zur Um­set­zung der Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve vor. Für die Zu­wan­de­rung aus EU- und EFTA-Staa­ten be­für­wor­ten sie die Ein­füh­rung einer Schutz­klau­sel. Zudem wol­len sie durch die kon­se­quen­te­re Nut­zung des in­län­di­schen Ar­beits­kräf­te­po­ten­zi­als die Nach­fra­ge nach aus­län­di­schen Ar­beits­kräf­ten sen­ken. Doch auch der Staat muss sei­nen Teil dazu bei­tra­gen: Der ra­san­te Zu­wachs von Stel­len in staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen und staats­na­hen Be­trie­ben soll ge­stoppt wer­den.

Die Um­set­zung der In­itia­ti­ve «gegen Mas­sen­ein­wan­de­rung» wird eines jener The­men sein, das die Schweiz 2015 mass­geb­lich be­schäf­tigt. Heute haben Spit­zen­ver­bän­de der Schwei­zer Wirt­schaft in Zü­rich dar­ge­legt, wel­che po­li­ti­schen Mass­nah­men nötig sind, um den neuen Ver­fas­sungs- be­stim­mun­gen ohne Ge­fähr­dung des Wohl­stands Gel­tung zu ver­schaf­fen. «Po­li­tik und Wirt­schaft haben ver­stan­den: Die Be­völ­ke­rung will eine spür­ba­re Re­duk­ti­on der Zu­wan­de­rung», be­ton­te eco­no­mie­su­is­se-Prä­si­dent Heinz Kar­rer vor den Me­di­en. Das wuch­ti­ge Nein zur Eco­pop-In­itia­ti­ve habe aber auch ver­deut­licht, dass sich die Stimm­be­rech­tig­ten kein enges Kor­sett wün­schen, das der Wirt­schaft die Luft ab­schnü­ren würde. Star­re Quo­ten oder eine Kün­di­gung der bi­la­te­ra­len Ver­trä­ge mit der EU seien des­halb keine Op­ti­on. Statt­des­sen schlägt die Schwei­zer Wirt­schaft ein Um­set­zungs-mo­dell mit drei Säu­len vor. 

Glo­bal­kon­tin­gent auf Ver­ord­nungs­stu­fe 

Als ers­tes Ele­ment be­für­wor­tet die Wirt­schaft die Ein­füh­rung eines Schutz­klau­sel-Mo­dells. Bis zu einer noch fest­zu­le­gen­den Ober­gren­ze soll wei­ter­hin die volle Per­so­nen­frei­zü­gig­keit mit den EU- und EFTA-Staa­ten gel­ten. Dazu soll der Bun­des­rat auf Ver­ord­nungs­stu­fe ein so­ge­nann­tes Glo­bal­kon­tin­gent fest­le­gen, das je­weils an­ge­passt wer­den kann. Ist die­ses aus­ge­schöpft, wird die Ein­wan­de­rung von Ar­beits­kräf­ten vor­über­ge­hend kon­tin­gen­tiert. Ein sol­ches Mo­dell könn­te den Weg ebnen zu einer Ei­ni­gung mit der EU und einer Ret­tung der bi­la­te­ra­len Ver­trä­ge, be­ton­te Swiss­mem-Prä­si­dent Hans Hess. Denn star­re Kon­tin­gen­te und In­län­der­vor­rang seien mit der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit nicht ver­ein­bar. «Hin­ge­gen dürf­te ein Schwei­zer Mi­gra­ti­ons­mo­dell bes­se­re Chan­cen haben, wenn es auf Re­geln zu­rück­greift, die in der EU be­reits be­kannt sind.» Schutz­klau­seln in Staats­ver­trä­gen seien ein weit ver­brei­te­tes In­stru­ment. Die Wirt­schaft for­dert des­halb, dass auch der Bun­des­rat in der Ge­setz­ge­bung zur Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve auf diese Karte setzt. 

Nach­fra­ge nach aus­län­di­schen Ar­beits­kräf­ten sen­ken 

Der zwei­te Teil des Um­set­zungs­mo­dells be­trifft die Un­ter­neh­men di­rekt. Va­len­tin Vogt, Prä­si­dent des Schwei­ze­ri­schen Ar­beit­ge­ber­ver­bands, will am Prin­zip einer fle­xi­blen Zu­wan­de­rungs­po­li­tik fest­hal­ten. Gleich­zei­tig werde die Wirt­schaft aber mit kon­kre­ten Mass­nah­men dazu bei­tra­gen, die Nach­fra­ge nach aus­län­di­schen Ar­beits­kräf­ten spür­bar zu sen­ken. Im Vor­der­grund steht dabei die bes­se­re Nut­zung des in­län­di­schen Po­ten­zi­als, wie es auch die Fach­kräft­e­initia­ti­ve des Bun­des zum Ziel hat. «Viele Mass­nah­men wur­den in den letz­ten Jah­ren sei­tens der Wirt­schaft lan­ciert und wer­den in die­sem Jahr wei­ter in­ten­si­viert», er­klär­te Vogt und kün­dig­te für den 21. Ja­nu­ar eine wei­te­re Me­di­en­kon­fe­renz an, an der über diese Schrit­te in­for­miert wer­den soll. 

 

Enor­mes Stel­len­wachs­tum beim Staat 

Die Wirt­schafts­ver­bän­de be­to­nen aber, dass als drit­tes Ele­ment auch der Staat eine ent­schei­den­de Rolle spie­le. Die öf­fent­li­che Hand ist ein be­deu­ten­der Ar­beit­ge­ber: Per Ende 2013 be­schäf­tig­te sie in der Schweiz 1,04 Mil­lio­nen An­ge­stell­te. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat die Be­schäf­ti­gung in staat­li­chen oder staats­na­hen Be­trie­ben um 40 Pro­zent zu­ge­nom­men, wäh­rend sie im ge­sam­ten Ar­beits­markt um le­dig­lich 17 Pro­zent an­ge­stie­gen ist. Damit ist auch der Staat für einen gros­sen Teil der Zu­wan­de­rung in den Ar­beits­markt ver­ant­wort­lich. Aus Sicht der Wirt­schaft ist es pro­ble­ma­tisch, wenn bei einer Be­schrän­kung der Zu­wan­de­rung der Staat den Pri­vat­un­ter­neh­men die knap­pen Kon­tin­gen­te strei­tig macht. «Ein Bei­trag zur Lö­sung des Pro­blems wäre ein Null­wachs­tum der Stel­len im Staats­sek­tor», er­klär­te Gott­lieb A. Kel­ler, Prä­si­dent von sci­en­ce­in­dus­tries. Neue staat­li­che Ar­beits­plät­ze sol­len nur noch in Be­rei­chen ge­schaf­fen wer­den, die der Aus­bil­dung die­nen oder «pro­duk­ti­ve» Leis­tun­gen er­brin­gen. Dies gelte auch für die Kan­to­ne und Ge­mein­den. 

Die Prä­si­den­ten der Wirt­schafts­ver­bän­de be­ton­ten, dass nur durch ge­mein­sa­me An­stren­gun­gen von Staat und Wirt­schaft die Zu­wan­de­rung nach­hal­tig re­du­ziert wer­den könne, ohne den Wohl­stand der Schweiz aufs Spiel zu set­zen. Im Ide­al­fall ist man damit so er­folg­reich, dass eine Schutz­klau­sel für die Ein­wan­de­rung aus den EU-Län­dern gar nie ak­ti­viert wer­den müss­te.