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Nachhaltigkeit: Chance und Herausforderung für die Textilindustrie

Anlässlich seines 150-jährigen Bestehens blickte der Schweizer Textilverband in die Zukunft und diskutierte mit seinen europäischen Handelspartnern über die konkreten Massnahmen zur Umsetzung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für die Textilindustrie.

Der Schweizer Textilverband Swiss Textiles feiert dieses Jahr seinen 150-jährigen Geburtstag. Die Europäische Union (EU) ist der wichtigste Handelspartner für die Branche mit rund 250 international ausgerichteten Mitgliedern – die meisten davon KMU. Umgekehrt ist die Schweiz mit Textileinfuhren im Wert von mehr als 8 Milliarden Franken pro Jahr heute der wichtigste Absatzmarkt der EU für Textilprodukte, noch vor Grossbritannien, den USA oder China.

Woher kommt die Baumwolle in meinem T-Shirt? Setzt meine Regenjacke schädliches Mikroplastik frei? Wurde mein Teppich lokal produziert? Nicht nur Privatkunden stellen sich diese Fragen immer häufiger. Auch die Politik fordert von der Industrie mehr Nachhaltigkeit und die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft wie beispielsweise die EU mit ihrer Textilstrategie. Die Textilindustrie steht vor einer wachsenden Herausforderung. Sie wird für 25% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich gemacht. Zudem belasten industrielle Herstellungsprozesse von Vorprodukten in den Schwellenländern wegen des Einsatzes veralteter Maschinen und chemischer Verfahren die Umwelt.

An der «Sustainable Future Convention» am 12. Juni 2024 diskutierten Swiss Textiles und der europäische Textilverband EURATEX diese zukunftsgerichteten Herausforderungen mit Vertretern der europäischen Textilindustrie in Brüssel. Alle Teilnehmenden waren sich einig: um die europäische Textilindustrie nachhaltig umzugestalten, spielen Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Umsetzung zirkulärer Wirtschaftsprinzipien eine entscheidende Rolle. Dabei müssen die Politik und die betroffene Industrie eng zusammenarbeiten, um das Potenzial der nachhaltigen Umgestaltung voll ausnutzen zu können.

Einbezug der Unternehmen bei EU-Textilstrategie notwendig

Die von der EU im März 2022 veröffentlichte «EU-Strategie für nachhaltige Textilien» steht im Zentrum der Diskussion. Bis 2030 müssen sich sämtliche Textilerzeugnisse aus dem EU-Markt reparieren lassen, aus Recyclingfasern bestehen, frei von gefährlichen Stoffen sowie langlebig und recyclebar sein. Zudem wird eine soziale und umweltverträgliche Produktion vorausgesetzt. Die EU hat begonnen, die Textilstrategie mit umfassenden Regulierungen umzusetzen. Unter anderem überarbeitet sie die EU-Ökodesignrichtlinie, die Textilkennzeichnungsverordnung, Vorschriften für unlauteren Wettbewerb («Greenwashing») und die Chemikaliengesetzgebung REACH.

Das Problem: Ein grosser Teil des Herstellungsprozesses für in der EU produzierte und verwendete Textilien geschieht ausserhalb der EU und unterliegt damit diesen Vorschriften nicht. Der international aufgestellten Lieferkette im Textilbereich trägt das EUROMED-Abkommen Rechnung. Dank dieses Abkommens können in der EU und der europäischen Nachbarschaft sowie in den Mittelmeer-Anrainerstaaten hergestellte Textilien und Vorprodukte kumuliert werden und zollbefreit verkehren. Die neuen Nachhaltigkeitsvorschriften der EU riskieren nun neue technische Handelsbarrieren aufzustellen, wenn sie nicht eng mit den betroffenen Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz abgestimmt werden.

Die Forderung der Industrie an die EU-Kommission war deshalb klar: Bei der Umsetzung der Textilstrategie soll eng mit den Unternehmen zusammengearbeitet werden. Dabei müssen auch Zulieferer aus Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz bei der Diskussion miteinbezogen werden. Dafür ist eine stabile, vorhersehbare Beziehung zwischen der Schweiz und der EU eine wichtige Voraussetzung. Die Vertreter von Swiss Textiles machten am Anlass deshalb klar, dass die Schweizer Textilindustrie die Verhandlungen über die Bilateralen III voll unterstützt. Personenfreizügigkeit, der Abbau technischer Handelshemmnisse, eine sichere Stromversorgung sowie die Zusammenarbeit im Forschungsbereich sind für die Branche von grösster Bedeutung.

Auch die Kunden sind gefordert

An der Veranstaltung zeigten Vertreterinnen innovativer Start-Ups aus der Schweiz und Belgien auf, dass schon heute PFAS-freie, voll abbaubare Textilien für den Aussenbereich mit denselben Eigenschaften wie herkömmliche Fasern hergestellt werden können, oder hochwertige Teppiche allein aus wiederverwerteten Abfallprodukten.

Carl Illi, der Präsident von Swiss Textiles, machte aber klar: Letztlich hängt eine erfolgreiche Umsetzung auch von der Einstellung der Brands und privaten Textilkunden ab. Diese müssen sich der Nachhaltigkeitsproblematik bewusst werden, ihr Kaufverhalten ändern und kurzfristig auch mehr Geld für nachhaltig produzierte Textilien in die Hand nehmen. Nur wenn die Kunden mitmachen, wird die Textilstrategie der EU ein Erfolg.