Die Luftfahrtbranche muss «Back in the Air»
Die Covid-19-Pandemie hat die Schweiz und die Welt nun seit mehr als einem Jahr fest im Griff. Die Mobilität von Personen und Gütern wurde im Zuge der Schutzmassnahmen zeitweise stark eingeschränkt. Als Verkehrsträger war und ist die Luftfahrt von diesen Einschränkungen zweifellos am längsten und schwersten betroffen.
Dies gilt insbesondere für den internationalen Flugverkehr: Während sich in grossen Ländern mit viel Binnenverkehr wie den USA oder China nach der ersten Corona-Welle eine gewisse Erholung eingestellt hat, kämpft der grenzüberschreitende Verkehr anhaltend mit Problemen. So ist die Anzahl Flugbewegungen in Europa im Gesamtjahr 2020 um etwa 50 Prozent eingebrochen. Beim Passagieraufkommen sind es sogar minus 80 Prozent. Die Schweiz – als kleines Land mit einer fast ausschliesslich internationalen Luftfahrt – verzeichnet ähnliche Zahlen: Rund zwei Drittel weniger Flüge, drei Viertel weniger Passagiere und ein Drittel weniger Fracht im Jahr 2020.
Für wertschöpfungsintensive Unternehmen gibt es keine echten Alternativen zur Luftfracht.
Aus Sicht von economiesuisse gilt es im Interesse der gesamten Schweizer Volkswirtschaft jetzt zu handeln. Dafür sprechen einerseits kurzfristige Gründe:
- Wir brauchen stabile Transportketten: Gerade für wertschöpfungsintensive Unternehmen etwa aus den Branchen Chemie/Pharma, Maschinen/Technologie oder Uhren/Schmuck/Luxusgüter hat die Luftfracht einen besonderen Stellenwert, weil hochwertige, zeit- und sicherheitskritische Güter befördert werden müssen. Für diese Transportbedürfnisse gibt es keine echten Alternativen zur Luftfracht. So hat die Luftfracht auch einen wertmässigen Exportanteil von 50 Prozent, im Überseeverkehr (vor allem USA, Asien) sogar 82 Prozent. Insgesamt werden rund 70 Prozent der Fracht als «belly cargo» auf Passagierflügen abgewickelt.
- Direktverbindungen sind ein zentraler Standortvorteil: Schätzungsweise ein Drittel des Schweizer BIP und ein Drittel der hiesigen Arbeitsplätze sind auf multinationale Unternehmen zurückzuführen. Diese Unternehmen sind auf die gute internationale Anbindung der Schweiz besonders angewiesen – die vielen Direktverbindungen sind daher keine Selbstverständlichkeit. Oft ist es für Schweizer Firmen auch zwingend, dass Kunden aus aller Welt vor Ort beraten werden können. Zudem müssen Angestellte der Schweizer Firmen rasch zu ihren Niederlassungen weltweit gelangen, um Servicearbeiten zu erledigen oder Kundengespräche vor Ort zu führen.
- Beschleunigung der wirtschaftlichen Erholung im Inland: Mehr als 60 Prozent der ausländischen Touristen kamen vor der Corona-Krise mit dem Flugzeug in die Schweiz – für den Tourismus und die Ankurbelung der gesamten Binnenwirtschaft ist es entscheidend, dass man die Hürden bei der Ein- und Ausreise so tief wie möglich ansetzt, ohne jedoch bei der Pandemiebekämpfung Kompromisse einzugehen. Der Forderungskatalog der Branche zeigt hier deutlich, wo das grösste Potenzial liegt.
Andererseits sind auch mittel- bis langfristige Gründe anzufügen:
- Die Luftfahrt lässt sich nicht nach Belieben hoch- und runterfahren: Die hohe Qualität der internationalen Anbindung der Schweiz ist im Grundsatz gefährdet, wenn die Rahmenbedingungen jetzt nicht verbessert werden. Geht die Anbindung verloren, verliert die Schweiz einen standortpolitischen Trumpf. Wir können uns hier schlicht keine Vernachlässigung leisten.
- Die Luftfahrtindustrie selbst hat bedeutende Katalysator- und Multiplikatoreffekte auf andere Bereiche der Wirtschaft. Hier liegt viel Wachstums- und Innovationspotenzial, das uns neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung bringt. Junge Märkte, in denen die Schweiz stark ist, sind zum Beispiel in den Bereichen Aviatik-Software und Drohnen sowie auch nachhaltige Flugtreibstoffe. Ohne einen gesunden Luftfahrt-Heimmarkt entziehen wir diesen Entwicklungen den Nährboden.
Aus Sicht der Schweizer Wirtschaft braucht es nun eine klare Strategie des Bundes im Bereich der internationalen Reisen. Es braucht Regeln, die der Branche Sicherheit bringen und für die Reisenden nachvollziehbar sowie verhältnismässig sind. Zudem ist «Hilfe zur Selbsthilfe» gefragt – die Luftfahrt will keine Almosen, sondern Planungssicherheit.
Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Referat anlässlich der Medienkonferenz der Allianz «Back in the Air» vom 16. April 2021.