NFA-Aufgabenteilung: Entwicklung eines Jahrhundertprojekts
- Introduction Executive summary | Positions of economiesuisse
- Chapter 1 Aufgabenteilung Bund-Kantone
- Chapter 2 TEIL 1: Reformprozess
- Chapter 3 TEIL 2: Übergang und Weiterentwicklung NFA
- Chapter 4 Anhang: Tabelle 1
TEIL 1: Reformprozess
«Ein kohärentes Reformprojekt zur Stärkung und Weiterentwicklung der föderalen Strukturen der Schweiz»: Ziele und Inhalte der NFA
Der Bundesrat fasste die Hauptziele der NFA in der 1. NFA-Botschaft wie folgt zusammen:
- Steigerung der Wirksamkeit des Ausgleichssystems
- Klärung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen
- Stärkung der bundesstaatlichen Zusammenarbeit
Die Ziele der NFA sind vielschichtig. Es geht im staatspolitischen Bereich zuoberst um die Revitalisierung des Föderalismus. Das Fundament der Schweiz musste aufgrund veränderter Gegebenheiten und neuer Bedürfnisse angepasst und gestärkt werden. Die Subsidiarität sollte aufgewertet, der Zentralismus abgebaut werden. Entscheide sollten wieder vermehrt stufengerecht und bürgernah gefällt werden. Während die Kantone dadurch mehr Kompetenzen und Autonomie erhielten, konzentrierte sich der Bund auf Kernaufgaben. Dieser Prozess führte zu entschlackten Verwaltungsstrukturen, zu weniger Bürokratie und Regulierung. Der Bund und die Kantone wurden handlungsfähiger.
Finanzpolitisch ging es um mehr Transparenz und Einfachheit, Effizienz und Wirksamkeit. Durch den Abbau von Doppelspurigkeiten und von undurchsichtigen Finanzierungsgeflechten sollte der Finanzausgleich wieder steuerbar werden. Der Steuerfranken sollte künftig gezielter und wirkungsvoller eingesetzt, kostentreibende Fehlanreize mussten abgebaut werden. Auch das in der Vergangenheit trotz Ausgleichsmassnahmen gewachsene finanzielle Gefälle zwischen den Kantonen und die Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität zwischen den Kantonen sollten gestärkt werden. Jeder Kanton sollte über ein Mindestmass an eigenen Finanzmitteln verfügen. Während die Kantone finanziell autonomer und handlungsfähiger werden sollten, sollte gleichzeitig der auf Kernkompetenzen beschränkte Bund zielgerichteter und effizienter arbeiten. Die grössere staatliche Effizienz sollte die Schweiz stärken – auch als Wirtschaftsstandort.
Die vier NFA-Pfeiler
Neben dem Finanzausgleich im engeren Sinne stand die Entflechtung von Bund und Kantonen bei den Aufgaben und deren Finanzierung im Zentrum der Reform. Während der Finanzausgleich im engeren Sinn recht gut bekannt ist, trifft das für die Aufgabenentflechtung weniger zu. Das mag daran liegen, dass Verteilungsfragen, vor allem wenn sie zwischen Kantonen spielen, politisch (und für die Steuerzahler) interessant sind und zumindest in den Grundmechanismen auch relativ einfach nachvollziehbar (Frage Geber-/Nehmerkantone). Die Aufgabenentflechtung dagegen betrifft unmittelbar den Staat selbst und seine Organisation. Für das Ziel der Föderalismusreform – und damit für die Qualität des Föderalismus in der Schweiz – ist die Frage, wie die Aufgaben im Staat verteilt sind, von erstrangiger Bedeutung. Daneben geht es aber auch um eminent finanzpolitische Fragen, um die Grösse und Struktur von Verwaltungen, den effizienten öffentlichen Mitteleinsatz, die Frage, welche Staatsebene welche Prioritäten setzt, das Verständnis der Aufgaben des Staates und auf welcher Ebene (und auf welche Weise) sie am kostengünstigsten und gleichzeitig wirksamsten wahrgenommen werden.
Die NFA beruht auf vier Pfeilern (Hauptmassnahmen):
- Aufgabenentflechtung
- Neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen bei gemeinsamen Aufgaben von Bund und Kantonen
- Interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich
- Neues Ausgleichssystem
Das neue Ausgleichssystem betrifft den Finanzausgleich im engeren Sinn. Der alte Finanzausgleich bis 2008 war durch vorwiegend zweckgebundene Mittel und eine ungünstige Vermischung von Ausgleichs- und Förderungsziel gekennzeichnet. Der neue Finanzausgleich besteht grundsätzlich aus zweckfreien Mitteln, die einzig nach Massgabe des Steuerkraftpotenzials eines Kantons bzw. des Vorliegens bestimmter Sonderlasten ausgerichtet werden. Seine Gefässe sind der Ressourcenausgleich für den Abbau kantonaler Unterschiede bei der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Lastenausgleich für die Abgeltung von Sonderlasten. Der Ressourcenausgleich wird vom Bund und von den ressourcenstarken Kantonen finanziert, der Lastenausgleich vom Bund.
Die Interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich hat das Ziel, die Aufgabenerfüllung der Kantone untereinander zu stärken. Eine interkantonale Rahmenvereinbarung bildet für die Kantone die Grundlage für Verträge über den gegenseitigen Bezug oder die gemeinsame Produktion von staatlichen Leistungen. Praktisches Ziel ist die Nutzung von Grössenvorteilen und die Kostenteilung bei öffentlichen Leistungen, die Kantonsgrenzen überschreiten (Spillovers, zum Beispiel im Kultur- oder Verkehrsbereich).
Der erste und zweite Pfeiler – die Aufgabenentflechtung und neue Zusammenarbeitsformen von Bund und Kantonen bei gemeinsamen Aufgaben – betreffen die föderale Aufgabenteilung. Sie stehen in diesem dossierpolitik im Mittelpunkt.
Im Nachgang des Orientierungsrahmens wurde auf Beschluss des Bundesrats Mitte 1994 eine von EFD und FDK gemeinsam getragene Projektorganisation eingesetzt. Sie hatte den Auftrag, den Finanzausgleich grundlegend neu zu ordnen. Als strategische Ziele gab der Bundesrat 1994 vor:
- Das finanzpolitische Zusammenspiel zwischen Bund und Kantonen so konsequent wie möglich auf den Grundsatz der Subsidiarität auszurichten,
- die Eigenfinanzierung der Kantone deutlich zu stärken, damit alle Kantone die von der Subsidiarität geforderte Eigenverantwortung wahrnehmen könnten.
Den Grundsatz der Subsidiarität koppelte der Bundesrat noch stark an den finanzpolitischen Aspekt der Aufgabenteilung: Kantonale Aufgaben seien grundsätzlich durch die Kantone, Bundesaufgaben grundsätzlich durch den Bund zu finanzieren. Bei Aufgaben, bei denen ein Zusammenwirken von Bund und Kantonen unerlässlich blieb, sollte dieses Zusammenwirken stufengerecht erfolgen. Die Aufgabenverteilung an sich, ihre Überprüfung und Neuordnung, war noch nicht im Fokus der Diskussion. Dass sich eine der vier eingesetzten Arbeitsgruppen (Arbeitsgruppe 1 unter dem Vorsitz des damaligen Schwyzer Finanzdirektors und FDK-Präsidenten Franz Marty) explizit dem Thema «Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung Bund/Kantone» widmete, ist aber ein klarer Hinweis dafür, dass der Frage der Aufgabenteilung im Bundesstaat über ihre finanzpolitischen Aspekte hinaus Bedeutung gegeben wurde.
Die Projektorganisation veröffentlichte die ersten Arbeitsergebnisse im Februar 1996. Der Grundzügebericht enthielt bereits alle wesentlichen Elemente der späteren NFA-Lösung. Es fehlte einzig der später hinzugefügte Härteausgleich. Die Neuordnung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen erschien nun als hauptsächliches Anliegen der Reform an erster Stelle im Bericht – noch vor der Stärkung der Eigenfinanzierungskraft der Kantone (Finanzausgleich i.e.S.).
Der Bericht legte detailliert die Mängel des alten Systems dar. Die Mängel wurden nicht mehr nur im engeren Finanzausgleich geortet, sondern in den grundlegenden Beziehungen zwischen dem Bund und den Kantonen. Die Beziehungen wurden als unübersichtlich, kompliziert und ineffizient beurteilt. Dieser Befund, der zuvor für den engeren Finanzbereich gemacht worden war, wurde jetzt auf das Verhältnis der Staatsebenen und die gemeinsame Aufgabenerfüllung und Verteilung der Kompetenzen generell erweitert.
Die Projektorganisation identifizierte 50 Bereiche, in denen zwischen Bund und Kantonen Aufgabenverflechtungen bestanden. Die Verflechtungen, so der Bericht, hätten über die Zeit zugenommen. Der Glaube, dass ohne massgeblichen Einfluss des Bundes die öffentliche Aufgabenerfüllung nicht zu sichern sei, hätte die Anreiz- und Förderungssysteme des Bundes immer stärker ausgebaut. In der Folge sei der Vollzugsföderalismus entstanden: Anstatt ihre Aufgaben autonom zu erfüllen, seien die Kantone immer stärker zu Vollzugsorganen des Bundes geworden.
Nicht nur die politische, auch die finanzielle Unabhängigkeit der Kantone hätte abgenommen. Vor allem die finanzschwächeren Kantone hätten sich finanziell in die Abhängigkeit des Bundes begeben. Schuld daran seien die Ausgleichszahlungen, die Anreiz- und Ausgleichsfunktion vermischten. Die Ausgleichszahlungen würden mehrheitlich in Form von Bundesbeiträgen ausgerichtet, die an die Erfüllung bestimmter Aufgaben durch die Kantone gebunden seien und nur ausgerichtet würden, wenn sich die Kantone an der Finanzierung beteiligten. Die Eigenleistungen seien für die finanzschwachen Kantone meist so bedeutend, dass der ebenfalls mit der Subvention verfolgte Ausgleichszweck neutralisiert würde. Die armen Kantone würden in der Folge nicht reicher, vielmehr nähmen die interkantonalen Disparitäten zu. Weil die Bundessubventionen für Einzelobjekte und aufwandorientiert ausgerichtet würden, hätten die Kantone dennoch einen Anreiz, beim Bund möglichst viel Geld «abzuholen». Dies umso mehr, als die geringe Steuerbarkeit des Subventionssystems Wirkungskontrollen erschwerte. Im Ergebnis würde mit «verhältnismässig viel Geld relativ wenig erreicht».
Die zahlreichen Verbundaufgaben brächten aus Sicht der Kantone eine zunehmende Reglementierung mit sich. Die Kosten stiegen und der Handlungsspielraum und die Eigenverantwortung der Kantone würden eingeschränkt. Die knappen Mittel und beschränkten Handlungsspielräume förderten eine weitere Zentralisierung. Nicht nur die Kantone, auch der Bundeshaushalt würden überlastet. Dieser Prozess, so die Schlussfolgerung der Kantone, wäre nur schwer beeinflussbar. Kantone und Bund seien zu Gefangenen ihres eigenen Subventionssystems geworden.
Die Projektorganisation schlug gemäss ihrem Auftrag das Modell eines neuen Finanzausgleichs vor. Zwei Hauptziele sollten verfolgt werden:
- Die Aufgaben und Kompetenzen von Bund und Kantonen sollten entflochten werden.
- Die Eigenfinanzierungskraft der Kantone sollte gestärkt und der Handlungsspielraum der Kantone erweitert werden.
Um die zwei als «richtungsweisend» bezeichneten Reformanliegen zu erreichen, wurden fünf Hauptmassnahmen vorgeschlagen. Die «weitgehende Aufgabenentflechtung zwischen Bund und Kantonen» rangierte an erster Stelle. Bei den Verbundaufgaben sollten die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen entflochten werden (Massnahme 3). Die übrigen Massnahmen entsprachen dem späteren Finanzausgleich im engeren Sinn bzw. der interkantonalen Zusammenarbeit (mit Lastenausgleich), wie sie schliesslich als Hauptelemente in die NFA Eingang fanden.
Damit stand die Aufgabenentflechtung im Grundzügebericht erstmals als Anliegen für sich selbst und war nicht länger reduziert auf den Aspekt der finanzpolitischen Entflechtung. Neu sollte sie das Verhältnis der beiden Staatsebenen grundsätzlich betreffen. Das Verhältnis von Bund und Kantonen sollte von Grund auf neu geordnet werden.
«Was zu Beginn der neunziger Jahre unter eher finanzpolitischem Blickwinkel begann», so der Kommentar eines damals in die Arbeiten Involvierten, «mutierte vollends zum staatspolitischen Reformprojekt».
«Die Verantwortung für Aufgaben, an denen heute sowohl Bund und Kantone beteiligt sind, wird wenn immer möglich entweder vollständig dem Bund oder vollständig den Kantonen zugewiesen» (Grundzügebericht 1996, S. 15). Die Aufgabenentflechtung sollte in den Augen der Projektgruppe ausdrücklich «weitgehend» sein. Verbundaufgaben sollten so weit wie möglich entweder der einen oder der anderen Staatsebene zugeordnet werden. Der «erfolgversprechendste Weg» sei die «soweit möglich integrale Aufgabenentflechtung». Planung, Entscheidung, Vollzug und Finanzierung – das sogenannte Äquivalenzprinzip, das später Eingang in die Verfassung fand – sollten aus einer Hand erfolgen.
Auch für die Verbundaufgaben – Aufgaben, die Bund und Kantone weiterhin gemeinsam wahrnehmen sollten – wurde eine neue Lösung vorgeschlagen. Die Kompetenzen der beiden Staatsebenen sollten entflochten und in die strategische Führung (Bund) und die operative Verantwortung (Kantone) unterteilt werden. Bei der Finanzierung sollten vom Bund statt wie bisher Einzelobjekte künftig Programme unterstützt werden. Die Finanzierung sollte nicht mehr in Form von aufwandorientierten prozentualen Kostenbeteiligungen erfolgen, sondern auf der Grundlage von Global- oder Pauschalbeiträgen, die sich an Leistungszielen orientierten und vertraglich vereinbart würden. Auch dieser Vorschlag wurde in die spätere NFA übernommen.
Die Vorteile der neuen Lösung sah der Grundzügebericht einerseits im staatspolitischen Gewinnpotenzial (Aufwertung der Subsidiarität, mehr Autonomie für die Kantone, Föderalismus stärken und beleben), andererseits in finanzpolitischen Entlastungen. Letztere wurden auf 3 Milliarden Franken geschätzt. Die vorgeschlagenen Systemkorrekturen würden zwangsläufig zu einem effektiveren und effizienteren Zusammenspiel zwischen Bund und Kantonen führen und das staatliche Leistungsangebot optimieren. Der Mitteleinsatz würde wirksamer, die staatlichen Leistungen würden kostengünstiger erstellt.
- Frei verfügbare Geldmittel für mehr Mitteleffizienz: Weil die Kantone künftig vor allem frei verfügbare Transferzahlungen erhielten (bzw. Globalbeiträge und Pauschalen bei Verbundaufgaben), würden sie Wünschbares vermehrt von Notwendigem trennen und Aufgaben bedarfsgerecht, wirkungsorientiert und kostenbewusst erfüllen. Zweckgebundene Subventionen, wie sie im alten System vorherrschten, hatten die genau umgekehrten Anreize zur Folge gehabt («Luxuslösungen», «Abholmentalität»).
- Bürgernähe und Wettbewerb zwischen den Kantonen: Da mehr Aufgaben künftig in der Kompetenz der Kantone liegen würden, könne der Souverän die Staatsausgaben auch stärker kontrollieren. Ebenfalls kostendämpfend würde sich der verstärkte Wettbewerb zwischen den Kantonen auswirken.
- Bessere Steuerungsmöglichkeiten: Klare und ungeteilte Zuständigkeiten verbesserten für den Bund wie für die Kantone die Möglichkeiten der Leistungs-, Kosten- und Wirkungssteuerung. Auch bei den Verbundaufgaben würden die Steuerungsmöglichkeiten durch die strategische Führung des Bundes in Kombination mit einem klar abgesteckten Finanzrahmen erhöht.
- Verwaltungsabbau: Parallelverwaltungen und der administrative Aufwand würden reduziert.
- Weniger Regulierung: Weil im operativen Bereich der Verbundaufgaben die Kantone künftig allein zuständig sein würden, würde der Bund auf Detailvorgaben künftig verzichten können.
Im Anschluss an den Grundzügebericht wurde Ende 1996 eine erweiterte Projektorganisation (wiederum paritätisch aus Bundes- und Kantonsvertretern) eingesetzt. Sie hatte den Auftrag, das neue NFA-Konzept zu vertiefen. Für die Vertiefungsarbeiten gab der Bundesrat Leitlinien vor (sie stützten sich auf eine vorangegangene Vernehmlassung des Grundzügeberichts), die mit Bezug auf die Aufgabenentflechtung wie folgt lauteten:
- Das vorgeschlagene NFA-Grundkonzept soll integral vertieft werden. Es sind keine Aufgabenbereiche vorzeitig auszuklammern.
- Für die Aufgaben- und Kompetenzentflechtung soll soweit sinnvoll das Prinzip der Subsidiarität gelten: Der Bund soll eine Aufgabe nur dann übernehmen, wenn die Aufgabe auf der kantonalen Ebene nicht erfüllt werden kann.
- Die Zuständigkeiten sind so weit wie möglich zu entflechten. Wo möglich und sinnvoll, soll für eine Aufgabe nur noch eine Ebene, der Bund oder die Kantone, zuständig sein. Wo sich eine vollständige Entflechtung als nicht opportun erweist, wären Teilentflechtungen zu prüfen.
- Für verbleibende Gemeinschaftsaufgaben sind geeignete Zusammenarbeitsformen abzuleiten.
Die erweiterte Projektorganisation schloss ihre Arbeiten im März 1999 ab. Der Schlussbericht brachte konzeptionell kaum mehr grundlegend Neues. Er vertiefte die Fragen und nahm im Bereich der Aufgaben gewisse Neubeurteilungen vor. So reduzierte er die Zahl der Aufgaben mit vollständiger Entflechtung und führte als neues Element die Teilentflechtung ein (Teilbereiche einer Verbundaufgabe werden der einen oder anderen Staatsebene zugeordnet). Detailliert geprüft wurden zudem die finanzpolitischen Auswirkungen. Die möglichen Effizienzgewinne wurden auf 2 bis 2,5 Milliarden Franken geschätzt.
Neu schlug die Projektorganisation vor, die staatspolitischen Grundsätze der Subsidiarität, der Äquivalenz und der kantonalen Autonomie bei der Aufgabenerfüllung auf Verfassungsstufe zu verankern. Die Grundsätze sollten als Richtschnur und Leitsätze dazu beitragen, «eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen auch inskünftig, d.h. auch nach einer erfolgten Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung zu gewährleisten» (Schlussbericht 1999, S. 27).
Die Verankerung der Subsidiarität in der Verfassung begründete der Bericht mit der Tendenz zur Zentralisierung seit der Gründung des Bundesstaates. Der Bund, so der Bericht, hätte seinen Aufgabenkreis laufend erweitert und neue Kompetenzen an sich gezogen. Der kantonale Handlungsspielraum hätte sich verengt. Die Kantone seien aus der primären Regelungsebene vermehrt in den Vollzug gedrängt worden. Die Aufgabenentflechtung solle dieser Tendenz entgegenwirken. Es müsse das Ziel sein, wiederum integrale Verantwortlichkeiten herzustellen.
Unter Subsidiarität verstand die Projektorganisation, «dass staatliche Aufgaben möglichst ‹bürgernah› angesiedelt und erfüllt werden. Übergeordnete staatliche Gemeinwesen sollen sich demzufolge auf Aufgaben konzentrieren und beschränken, die von untergeordneten Gemeinwesen nicht befriedigend wahrgenommen werden können» (Schlussbericht 1999, S. 37). Dieser Grundsatz sollte bei der Zuteilung künftiger Staatsaufgaben ausdrücklich berücksichtigt werden. Der ungerechtfertigten Zentralisierung staatlicher Kompetenzen gälte es auf diese Weise, einen Riegel zu schieben.
Nach dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz sollten die Kosten-, Nutzen- und Entscheidträger einer Aufgabe übereinstimmen. Wer den Nutzen einer Aufgabe hat, soll die Kosten tragen und über die Ausführung der Aufgabe verfügen. Dies fördert die wirtschaftliche und zweckmässige Aufgabenerfüllung.
Der Leitsatz der kantonalen Autonomie bei der Aufgabenerfüllung sollte schliesslich die Eigenständigkeit der Kantone im Bereich der Aufgaben, Organisation und Finanzen noch stärker zum Ausdruck bringen. Die Kantone sollten ihre «originären Zuständigkeiten» behalten. Die Kantone wären frei, Aufgaben, die die Bundesverfassung nicht dem Bund zuweist oder die der Bund nicht wahrnimmt, zu übernehmen.
Der Schlussbericht der erweiterten Projektgruppe wurde zur Vernehmlassung gegeben. Die Ergebnisse waren wie schon beim Grundzügebericht teilweise kritisch. Für die 1. NFA-Botschaft wurde das Konzept nachgebessert. Die Anpassungen betrafen vor allem den Finanzausgleich im engeren Sinn (Lasten- und Ressourcenausgleich) sowie den Härteausgleich, der als neues Element zur Abfederung des Systemwechsels (Wegfall der Steuerkraftzuschläge) für die ressourcenschwachen Kantone eingeführt wurde. Im Bereich der Aufgabenentflechtung gab es Anpassungen, aber keine grundlegenden Änderungen mehr. Seit dem Grundzügebericht stand das Konzept.
Die 1. NFA-Botschaft vom 14. November 2001 legte die Verfassungsgrundlage für die Aufgabenentflechtung. In die Verfassung aufgenommen wurden das Prinzip der Subsidiarität (Art. 3a BV), die Grundsätze für die Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben (Äquivalenzprinzip, Art. 43a, Gebote der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmässigkeit) und der Leitsatz der Eigenständigkeit der Kantone (Art. 47 Abs. 2; Aufgaben-, Organisations- und Finanzautonomie).
Verschiedene Aufgabenentflechtungen verlangten Verfassungsänderungen (Armee, Schulwesen, Nationalstrassen, AHV/IV). Ebenfalls eine Verfassungsgrundlage erforderte die Neuregelung der Verbundaufgaben (Art. 46 Abs. 2 und 3 BV). Auf Gesetzesstufe wurde das Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich verabschiedet (FiLaG).
Die Botschaft verwies zum ersten Mal ausdrücklich auf den Zusammenhang zwischen der Aufgabenentflechtung und dem Finanzausgleich im engeren Sinn.
Auf die Frage, ob die Aufgabenentflechtung nicht noch weiter eingeengt werden könne, antwortete der Bundesrat, dies sei nicht möglich. Zweckgebundene Finanztransfers des alten Systems müssten in nicht zweckgebundene Mittel zur Alimentierung der neuen Ausgleichsgefässe umgewandelt werden. Dazu müsse der Bund im Rahmen der Aufgabenentflechtung Aufgaben an die Kantone abgeben können. Die Aufgabenentflechtung und der neue Finanzausgleich seien sachlich eng verzahnt.
Durch die Aufgabenentflechtung erforderliche Anpassungen in Spezialgesetzen waren der Inhalt der 2. NFA-Botschaft von 2005. Das Subventionsgesetz wurde um die Instrumente der Programmvereinbarung und der Global- bzw. Pauschalbeiträge bei Verbundaufgaben ergänzt. In der Vorbereitung der zweiten NFA-Botschaft wurden verschiedene Fragen noch einmal im Detail geprüft, darunter die Auswirkungen der NFA. Eine dafür eingesetzte Arbeitsgruppe (Projektgruppe 13) erstellte bis zum April 2004 einen entsprechenden Bericht.
Projektgruppe 13 stellte fest, dass «Verbesserungen bei Effizienz, Effektivität und Anreizen insbesondere in jenen Bereichen erwartet werden können, in denen durch die NFA eine eindeutige Zuordnung und/oder eine verstärkte Übereinstimmung von Finanzierungs- und Vollzugsverantwortung stattfindet» (Schlussbericht 2004, S. 6), d.h. die Aufgaben integral der einen oder anderen Staatsebene übertragen würden. Aber auch die Einführung von Programmvereinbarungen und von Pauschalbeiträgen bei Verbundaufgaben würde wahrscheinlich zu mehr Effizienz und Effektivität führen.
Insgesamt erwartete die Projektgruppe geringere volkswirtschaftliche Kosten und dadurch Wohlfahrtsgewinne. Insbesondere der Übergang von zweckgebundenen zu zweckfreien Ausgleichszahlungen und die Entflechtung der Aufgaben würden die Produktion von staatlichen Leistungen effizienter und bedürfnisgerechter machen und dadurch die Ausgaben und die Steuerbelastung in den Kantonen verringern. Dadurch würden die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstumspotenzial der Schweiz gestärkt.
Auch beim Bundeshaushalt seien Entlastungen zu erwarten, da die Nachfrage nach zweckgebundenen Subventionen und der dadurch entstehende politische Druck nachlassen würden (Schlussbericht 2004, S. 7). Die NFA würde insgesamt die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz stärken und zu mehr Wirtschaftswachstum beitragen (Schlussbericht 2004, S. 36).
Aufgabenteilung: Kriterien
Bereits der FDK-Orientierungsrahmen von 1992 machte sich Gedanken über eine neue Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. So lag bereits die Idee einer weitgehenden Aufgabenentflechtung vor: Aufgaben sollten entweder von den Kantonen (Basisaufgaben) oder vom Bund (landesweiter Steuerungsbedarf) ausgeübt werden.
Im Grundzügebericht (1996) wurden diese Ideen weiterentwickelt und konkretisiert. Die Aufgabenentflechtung war jetzt ein Hauptanliegen. Von den insgesamt 50 Bereichen, bei denen festgestellt wurde, dass zwischen Bund und Kantonen eine Aufgaben- und Kompetenzverflechtung bestand, sollten 29 entflochten werden. Für acht Aufgaben sollte der Bund allein zuständig werden, die Kantone für 21 Aufgaben.
Für die Aufgabenzuweisung wurden erstmals klare Kriterien festgelegt.
Eine Bundesaufgabe sollte vorliegen, wenn regionale Differenzierungen nicht möglich sind, d.h.
- ein landesweit gleichmässiger Nutzen geschaffen wird,
- ein Abbau von Unterschieden in der Wohlfahrtsverteilung das Ziel ist,
- landesweit einheitliche Regeln und Standards erforderlich sind,
- der Zusammenhalt im Bundesstaat (Kohäsion) gefördert werden soll,
- es um internationale Verpflichtungen geht.
Falls eine Aufgabe trotz materieller Einflussnahme des Bundes regional unterschiedlich gelöst wird, sollte die Zuständigkeit nach wie vor geteilt werden. Eine materielle Einflussnahme des Bundes sei nötig, wenn
- trotz regionaler Unterschiede eine Aufgabe eine landesweite Dimension hat und sie deshalb die globale strategische Führung des Bundes erfordert,
- der Bund ein Grundangebot an öffentlichen Leistungen fixieren muss, weil im Landesinteresse eine bestimmte Leistungsqualität oder -quantität nicht unterschritten werden soll,
- die gezielte punktuelle Einwirkung des Bundes angesichts eines erhöhten Koordinationsbedarfs oder einer besonderen Aufgabenkomplexität angezeigt ist,
- die einzelnen Kantone von einer Aufgabe finanziell übermässig belastet werden und deshalb durch den Bund ein klar begrenzter Belastungsausgleich erfolgen muss.
Aufgaben ohne zwingende materielle Steuerung durch den Bund sollten den Kantonen zugewiesen werden. Dies insbesondere dann, wenn
- der entstehende Nutzen auf die Kantonsgebiete beschränkt bleibt,
- die Kantone eine besondere Nähe zur Aufgabe haben und die Aufgabe deshalb eigenständig lösen können,
- es von Vorteil ist, mit den jeweiligen personellen und räumlichen Verhältnissen vertraut zu sein,
- die Betroffenen vor Ort in die Mitverantwortung einbezogen werden können.
Die Zuordnung der Aufgaben an den Bund, die Kantone oder als Verbundaufgabe in die gemeinsame Zuständigkeit ist in der Tabelle Aufgaben festgehalten. Wie die Übersicht aufzeigt, veränderten sich die Vorstellungen über die (Neu-)Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen im Verlauf der NFA-Projektphasen.
Die Entflechtungsfrage wurde auch im Nachgang des Grundzügeberichts teilweise neu beurteilt. So finden sich im Schlussbericht der erweiterten Projektorganisation von 1999 noch 15 Bereiche, die kantonalisiert werden sollten. Sechs Bereiche sollten in die integrale Verantwortung der Kantone übergehen, 17 Bereiche sollten teilentflochten werden. Erstmals wurde die ganze Entflechtungsmasse beziffert. Sie wurde auf 5,3 Milliarden Franken geschätzt. 16 Aufgaben mit einem Volumen von 5 Milliarden Franken sollten im Verbund von Bund und Kantonen verbleiben.
Die Kriterien der Aufgabenentflechtung wurden nach dem Grundzügebericht nicht weiter verfeinert. Stattdessen rückten die genannten Verfassungsgrundsätze der bundesstaatlichen Aufgabenzuteilung in den Vordergrund. Zwar räumte die erweiterte Projektorganisation ein, dass die in Aussicht gestellten Grundsätze der Subsidiarität, der fiskalischen Äquivalenz und der kantonalen Aufgabenautonomie nicht justiziabel seien. Auch müssten die Grundsätze im jeweiligen Zeitkontext konkretisiert werden. Dennoch sah die Projektorganisation in ihnen Leitfäden für die künftige Aufgabenzuteilung.
Die 1. NFA-Botschaft legte denn auch starkes Gewicht auf die neuen Verfassungsgrundsätze. Der Bund, wurde argumentiert, könne sich aufgrund der Stärkung der Kantone auf seine hauptsächlichen Funktionen, wie sie ihm von der Verfassung zugewiesen seien, konzentrieren. «Künftig kann und soll der Bund nicht mehr in derart vielen Politikbereichen mit Auflagen und Subventionen tätig sein.»
Einheitliche und verbindliche Regeln und Standards solle der Bund nur noch in jenen Bereichen aufstellen, in denen es im landesweiten Interesse unumgänglich sei. «Gestützt auf das Subsidiaritätsprinzip soll der Bund nur noch dann eine Aufgabe übernehmen, wenn die Kantone hierzu offensichtlich nicht in der Lage sind oder die Aufgabenerfüllung sinnvollerweise zentral geregelt werden muss» (1. NFA-Botschaft 2001, S. 2333).
Was die Verbundaufgaben anbelangte, verwies die Botschaft auf «Überlegungen zur Wünschbarkeit sowie zur technischen und politischen Realisierbarkeit einer Klärung der jeweiligen Rollen und Kompetenzen». Eine abschliessende Bestimmung der Eigenart einer Verbundaufgabe schloss die Botschaft aus.
In der Vorbereitung der 2. NFA-Botschaft stellte die Projektgruppe 13, wie im Schlussbericht 2004 dargestellt, vertiefte Überlegungen zu den Auswirkungen der NFA an. Die Auswirkungen in den einzelnen Aufgabenbereichen wurden anhand der Kriterien «Effizienz», «Effektivität» und «Anreize» gemessen. Die Ausführungen zu den Kriterien geben Hinweise darauf, an welchen konkreten Zielen die Zuteilung von Aufgaben im Bundesstaat bzw. das Entflechtungspotenzial einer Aufgabe gemessen werden kann.
Das Kriterium der Effizienz wurde übertragen in
- kürzere Verfahrenswege
- Bündelung von Kompetenzen
- Abbau personeller Doppelspurigkeiten
- Aufbau von Skalenwirtschaften (grössere Mengen zu geringeren Durchschnittskosten)
Effektivität wurde daran gemessen, ob
- die Bürgerfreundlichkeit der Leistungserstellung steigt (d.h. Leistungen entsprechen stärker den Bedürfnissen)
- die Bürgernähe erhöht wird (d.h. Entscheidungen fallen näher beim Bürger an)
- der „Eindruck von Bürokratie“ abgebaut wird
- die Ziele einfacher und schneller erreicht werden können
Beim Anreizkriterium ging es um den Abbau von Fehlanreizen bezüglich
- der Prioritätenordnung (falsche Prioritätensetzungen)
- der Produktionsmenge (keine Überproduktion)
- der Produktionskosten (keine zu teuren Lösungen)
- der Lastenverteilung Bund – Kantone (keine Überwälzung von Kosten auf die andere Gebietskörperschaft)
Die einzelnen Aufgaben wurden nach diesem Raster auf NFA-Verbesserungen untersucht. Sie zeigten, dass im Durchschnitt aller Aufgaben mit Verbesserungen bezüglich aller drei Kriterien gerechnet werden durfte (mehr Effizienz und Effektivität, bessere Anreize). Die Verbesserungen wurden jedoch je nach Aufgabe und Entflechtungsgrad unterschiedlich beurteilt. So wurden in Bereichen mit voller Entflechtung (Nationalstrassen, AHV/IV, zentrale Beschaffung Armeematerial, Sonderschulen) überdurchschnittliche Verbesserungen geortet, unterdurchschnittliche dagegen in Bereichen, in denen kaum oder gar keine Entflechtungen vorgenommen wurden (z.B. Hochschulen). Bei den Verbundaufgaben wurde eine Effizienz- und Effektivitätssteigerung durch die neuen Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen zwischen Bund und Kantonen erwartet (Programmvereinbarungen), jedoch nicht im selben Ausmass wie bei den entflochtenen Aufgabenbereichen (2. NFA-Botschaft, S. 6285).
Insgesamt rechnete die 2. NFA-Botschaft mittel- bis langfristig mit Verbesserungen in der Allokation der öffentlichen Mittel. Kurz- bis mittelfristig würden sich die erwarteten positiven Effekte jedoch nicht automatisch im gewünschten Ausmass einstellen. Ein Umdenken auf allen Stufen sei erforderlich. Zudem müssten die Möglichkeiten des neuen Systems von Beginn weg konsequent ausgeschöpft werden. Dabei ginge es vor allem darum, dass «die mit der Aufgabenentflechtung verbundenen vereinfachten Entscheidungsstrukturen konsequent umgesetzt werden und dass sich bei den neuen Zusammenarbeitsformen der Bund wirklich auf die strategischen Aspekte beschränkt und den Kantonen die notwendigen Spielräume bei der Umsetzung belässt». Die Kantone ihrerseits seien gefordert, diese Spielräume auch für einen effizienteren Mitteleinsatz zu nutzen (2. NFA-Botschaft, S. 6287).
«Zusammengefasst», hielt der vorbereitende Schlussbericht (teilweise kritisch) fest, «ergeben die Auswertungen ein befriedigendes Ergebnis, obwohl […] die Projektgruppe von grösseren Verbesserungen ausgeht. Es darf nicht vergessen werden, dass in einigen Projektgruppen ein inhärentes Interesse am Status quo besteht. Daraus erwächst die Tendenz, die heutige Situation als zu positiv und die neue Lösung als zu negativ zu betrachten, was sich selbstverständlich in der Bewertung niederschlägt» (Schlussbericht 2004, S. 24).
Die Neuordnung der Aufgaben im Überblick
Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die wichtigsten Anpassungen der NFA in den Aufgabenbereichen.
Strafrecht
Der Bereich des Strafrechts war vor der NFA eine Verbundaufgabe, und er ist es bis heute geblieben. Während der Bund in der Gesetzgebung wirkt, übernehmen die Kantone den Vollzug (Bau und Betrieb von Einrichtungen). Mit dem Ziel der stärkeren Vereinheitlichung des Vollzugs wurden in der NFA die Bundeskompetenzen in diesem Bereich ausgebaut. Gleichzeit wurden neue, NFA-konforme Finanzierungsinstrumente eingeführt (Pauschalbeiträge) und die interkantonale Zusammenarbeit wurde gestärkt.
Landesverteidigung
Die militärische Landesverteidigung war und ist eine Bundesaufgabe mit verfassungsmässig verankerter Mitverantwortung der Kantone. An dieser Mitverantwortung änderte die NFA grundsätzlich nichts. Entflochten wurde die Vollzugsverantwortung im logistischen Bereich. Beschaffung, Unterhalt und Einsatz der persönlichen Ausrüstung sind seither Bundessache. Die Anpassung erforderte eine Verfassungsänderung. Die 2. NFA-Botschaft hielt fest, dass dieser Bereich eine der wenigen Aufgaben darstelle, «bei denen eine vollständige Aufgabenentflechtung in Richtung einer Beschränkung der Verantwortlichkeit auf den Bund klare Vorteile bringen kann» (2. NFA-Botschaft, S. 6123).
Bildung und Forschung
Die Bereiche Bildung und Forschung wurden in der NFA nur am Rand behandelt. Während anfänglich eine Trennung der Hochschulfinanzierung in Ausbildung und Forschung geplant war, bei der die Kantone den Ausbildungsteil vollständig hätten übernehmen sollen, wurde der gesamte Hochschulbereich später aus der NFA ausgegliedert. Gleiches widerfuhr der Berufsbildung, die am Ende auch nicht mehr Gegenstand der NFA war. Einbezogen wurden die Aufgaben Sonderschulen, Stipendien sowie Turnen und Sport.
Im Bereich der Sonderschulen leistete die IV unter der alten Ordnung einen Kostenbeitrag von 50 Prozent. Dieser Beitrag wurde aufgehoben. Die Sonderschulen wurden fachlich wie finanziell vollständig kantonalisiert. Die Neuregelung erforderte eine Verfassungsänderung.
Im Stipendienwesen wurde bereits früh eine Teilentflechtung beschlossen. Für Ausbildungsbeihilfen bis und mit Sekundarstufe II sind seit der NFA neu die Kantone zuständig, die Vergabe von Stipendien und Studiendarlehen blieb eine Verbundaufgabe. Der Bundesrat begründete die weitere Beteiligung des Bundes mit dem nationalen Anliegen des Zugangs zu höheren, tertiären Ausbildungen sowie mit der Mobilität der Studierenden, die im Stipendienbereich gewisse einheitliche Mindeststandards voraussetze. Gemäss der in der NFA erfolgten Verfassungsänderung fördert der Bund die interkantonale Harmonisierung der Ausbildungshilfen auf Tertiärstufe.
Der Bereich Turnen und Sport wurde teilentflochten, indem sich der Bund aus der Koordination und Subventionierung des freiwilligen Schulsports sowie aus der Herausgabe von Lehrmitteln zurückzog. Umstritten war die Frage des vom Bund verfügten 3-Stunden-Turnobligatoriums. Weil diese Frage das NFA-Projekt belastete, wurde die ursprünglich vorgesehene integrale Zuständigkeit der Kantone für Turnen und Sport in der Schule fallengelassen und das Turnobligatorium später im Rahmen der Revision des Sportförderungsgesetzes weiter diskutiert. Ebenfalls fallengelassen wurde eine geplante Teilentflechtung des Bereichs Jugend+Sport.
Amtliche Vermessung
Seit 1912 eine Bundesaufgabe mit kantonalem Vollzug, ist die amtliche Vermessung eine Verbundaufgabe geblieben. Die Kompetenzen des Bundes wurden in einem Verfassungszusatz geregelt. Das mit der NFA für die Verbundaufgaben eingeführte System der Leistungsvereinbarung mit Pauschalabgeltung ist in der amtlichen Vermessung bereits seit 1998 praktiziert worden.
Verkehr und öffentliche Werke
Für den Verkehr brachte die NFA weitreichende Veränderungen.
Die früher von Bund und Kantonen gemeinsam getragene Aufgabe der Nationalstrassen wurde vollständig entflochten und integral dem Bund übertragen. Einzig die Fertigstellung des bereits beschlossenen Nationalstrassennetzes blieb in der Zuständigkeit von Bund und Kantonen. Für den Ausbau und die Erweiterung des Netzes sowie für dessen Betrieb und den Unterhalt ist seither nur noch der Bund zuständig. Die Entflechtung erforderte umfangreiche Anpassungen an der Verfassung und an Spezialgesetze.
Im Bereich der Hauptstrassen wurde von einem System der Subventionierung von Neu- und Ausbauten durch den Bund zu einer Finanzierung mit Globalbeiträgen übergegangen. Anders als früher können Bundesmittel im Rahmen der Globalbeiträge auch für den Betrieb und den Unterhalt der Hauptstrassen verwendet werden. Diese Aufgabe war früher Sache der Kantone. Die neue Finanzierungform entspricht der geänderten Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der NFA. Der Bereich selbst bleibt eine Verbundaufgabe.
Entflochten wurden die Erstellung von Niveauübergängen und Verkehrstrennungsmassnahmen. Früher klassische Subventionstatbestände des Bundes, wechselten die Bereiche in die alleinige Kompetenz der Kantone. Verkehrstrennungsmassnahmen in den Agglomerationen unterstützt der Bund durch Gelder des Infrastrukturfonds.
Eine differenzierte Lösung wurde beim Lärmschutz gefunden. Während der Lärmschutz im Bereich der Nationalstrassen in die Zuständigkeit des Bundes gehört, sind beim Hauptstrassennetz die Kantone dafür zuständig, die wiederum für diese Aufgabe Globalbeiträge des Bundes erhalten. Für alle übrigen Strassen gilt die neue NFA-Lösung bei Verbundaufgaben (der Bund entrichtet Beiträge aufgrund von Programmvereinbarungen). Noch zum Zeitpunkt der 1. NFA-Botschaft war vorgesehen, diesen Bereich in die volle Zuständigkeit der Kantone zu übertragen.
Entflochten wurde der Bereich der Alpenstrassen (Gebirgsnationalstrassen: Bund; übrige: Kantone). Aus Mineralölsteuermitteln erhalten die Kantone ferner weiterhin nicht werkgebundene Beiträge, allerdings nach einem neuen Verteilschlüssel.
Am Agglomerationsverkehr beteiligt sich der Bund seit 2008 direkt über den Infrastrukturfonds. Die Unterstützung der Ortsverkehre in städtischen Räumen durch den Bund verlief früher indirekt über Investitionen der SBB und anderer, vom Bund unterstützter Transportunternehmen. Der Agglomerationsverkehr stellt in diesem Sinn heute noch stärker als früher eine Verbundaufgabe dar. Auf die Neuordnung nahm neben der NFA die (2004 gescheiterte) Avanti-Initiative starken Einfluss.
Der öffentliche Regionalverkehr war und blieb eine Verbundaufgabe. Allerdings reduzierte sich der Finanzierungsanteil des Bundes. Im Bereich der Schieneninfrastruktur war im Rahmen der parallelen Bahnreform 2 eine Trennung in Grundnetz (vom Bund finanziert) und Ergänzungsnetz (Kantone) geplant. Da der Infrastrukturbereich des Regionalverkehrs ganz den Kantonen zugefallen wäre, wäre der Verbundanteil der Aufgabe reduziert worden. Die Bahnreform 2 scheiterte jedoch in diesem Punkt.
Bei den Flugplätzen wurde die frühere Möglichkeit von zins- und amortisationsgünstigen Bundesdarlehen aufgehoben. Die Finanzierung der Flugplätze ist unter der NFA eine rein kantonale Angelegenheit. Politisch bleiben die Flughäfen eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Kantonen.
Der Hochwasserschutz, der dem Bereich der öffentlichen Werke zugeordnet wird, blieb eine Verbundaufgabe.
Soziale Sicherheit
Der Bereich der Sozialen Sicherheit wurde von der NFA vergleichsweise stark beeinflusst. Weitgehend entflochten wurden die AHV und die IV.
Bei der AHV zahlen die Kantone unter der NFA keine Beiträge mehr an die individuellen Versicherungsleistungen. Der Bund trägt (neben den Versicherten) die Finanzierung allein. Bei der Unterstützung der Betagtenhilfe wurde eine Teilentflechtung vorgenommen. Während der Bund die gesamtschweizerischen Tätigkeiten der betroffenen Organisationen unterstützt, sind die Kantone finanziell für die kantonalen und kommunalen Tätigkeiten dieser Organisationen zuständig. Der Bund nimmt Koordinations- und Entwicklungsaufgaben wahr. Vor der NFA waren die Kompetenzen und Finanzierungen stärker vermischt.
Wie bei der AHV wurden auch die individuellen Leistungen der IV entflochten. Die Finanzierung und der Vollzug der individuellen Leistungen wurden Bundessache (ohne Kantonsbeteiligung), während sich im Gegenzug die IV aus der Finanzierung der Institutionen für Invalide (Wohnheime usw.) zurückzog (Kantone neu mit voller finanzieller und fachlicher Verantwortung). Die Unterstützung von Dachorganisationen der privaten Behindertenhilfe wurde teilentflochten, indem gesamtschweizerisch tätige Organisationen nach wie vor vom Bund unterstützt werden, kantonale und kommunale Tätigkeiten aber von den Kantonen (ohne IV-Beiträge). Gleich behandelt werden Ausbildungsstätten für Fachpersonal der Sozialberufe. Kantonale Aus-, Weiter- und Fortbildungsbeiträge ersetzen hier frühere Beiträge der IV.
Bei den Ergänzungsleistungen wird die Existenzsicherung weiterhin vom Bund und den Kantonen getragen. Die Heimkosten sind neu Aufgabe der Kantone (Teilentflechtung).
Bei der Prämienverbilligung (Krankenkassen) wurden die Beitragsmodalitäten angepasst. Anders als früher sind die Kantonsbeiträge nicht mehr strikt vom jeweiligen Bundesbeitrag abhängig. Auch wurde das Kriterium der kantonalen Finanzkraft für die Beitragsbemessung gestrichen. Der Bund finanziert heute pauschal 7,5 Prozent der Bruttokosten der obligatorischen Krankenversicherung. Massgebend für seine Beiträge sind die Wohnbevölkerung und die Anzahl Versicherter in den einzelnen Kantonen. Die vollständige Übernahme der Prämienverbilligung durch den Bund oder durch die Kantone, wie es im frühen NFA-Prozess diskutiert worden war, wurde fallengelassen.
Während die Familienzulagen in der Landwirtschaft eine Verbundaufgabe blieben (nicht Gegenstand der NFA), wurde die Verbesserung der Wohnverhältnisse in den Berggebieten entflochten. Aus der Aufgabe zog sich der Bund vollständig zurück.
Landwirtschaft
Die Landwirtschaft war kein Kernbereich der NFA. Die Förderung der Tierzucht wurde voll dem Bund zugeteilt. Bei der landwirtschaftlichen Beratung wurden kantonale Beiträge an gesamtschweizerische Beratungszentralen vom Bund übernommen, während die kantonale Beratung Kantonssache wurde. Diese Teilentflechtung erfolgte erst im Rahmen der 2. NFA-Botschaft.
Natur- und Umwelt
Praktisch der gesamte Natur- und Umweltbereich blieb eine Verbundaufgabe. Angepasst wurde durchwegs der Finanzierungsmodus. Der Bund nimmt im Rahmen von Programmvereinbarungen die strategische Führung wahr, während die Kantone für die operative Ausführung der Aufgaben zuständig sind. Im Bereich Wald waren bereits vor der NFA entsprechende Pilotversuche durchgeführt worden.
Zu den Gemeinschaftsaufgaben gehören der Gewässerschutz (internationale Vereinbarungen), der Natur- und Landschaftsschutz, der Wald, die Jagd (nationale Schutzgebiete) und die Fischerei.
Der Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege sollte ursprünglich teilentflochten werden, mit Bundesverantwortung über Objekte von nationaler Bedeutung und kantonaler Zuständigkeit über regionale und lokale Objekte. Nachdem diese Teilentflechtung nach der Verabschiedung der 1. NFA-Botschaft auf Widerstand gestossen war, wurde schliesslich darauf verzichtet. Der Bereich blieb integral eine Verbundaufgabe von Bund und Kantonen.
Das politische Umfeld
Die NFA begann als Projekt der Kantone und des Bundes. Wissenschaftliche Studien, die die Stossrichtung bestätigten, unterstützten das Projekt. Die erste breitere Diskussion fand anlässlich der Vernehmlassung des Grundzügeberichts 1996 statt. In den Stellungnahmen zeigte sich das für den weiteren Verlauf charakteristische Bild: Linke Parteien, Gewerkschaften, sozialpolitisch und umweltpolitisch orientierte Interessengruppen lehnten die NFA, vor allem die Aufgabenteilung und die Stärkung der kantonalen Autonomie ab. Die Mehrheit der Kantone, die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände unterstützten das Projekt. Sie forderten eine weitergehende Aufgabenentflechtung sowie die Stärkung der Kantone und damit auch eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips.
Die Vernehmlassung des für die 1. NFA-Botschaft massgeblichen Schlussberichts von 1999 bestätigte dieses Bild. Die deutliche Mehrheit der Kantone erachtete die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips als absolut vordringlich. Die KdK schlug gar einen Verfassungszusatz vor, der verlangte, dass auf Begehren der Kantone das Bundesgericht prüft, ob ein Bundesgesetz die verfassungsmässig gewährleisteten Zuständigkeiten der Kantone verletzt.
Die Aufgabenentflechtung hätte aus Sicht vieler Kantone konsequenter angegangen werden sollen. So verlangten die Kantone, dass beim Erlass und bei der Änderung von Bundesgesetzen die Möglichkeit der Aufgabenentflechtungen künftig immer geprüft würden. Um der Befürchtung der NFA-Gegner, die NFA würde von den Kantonen zum Leistungsabbau genutzt, entgegenzutreten, erklärte sich die KdK bereit, für bedeutende Aufgaben einheitliche Rahmenbedingungen und landesweite Minimalstandards zu akzeptieren. Solche Standards könnten entweder der Bund oder die Kantone in interkantonalen Rahmenvereinbarungen festlegen. Bedenken einen Leistungsabbau betreffend bezeichneten die Kantone als nicht gerechtfertigt.
Die Kantone stünden der Nachfrage der Bevölkerung nach öffentlichen Leistungen näher als der Bund und würden ihre Verantwortung wahrnehmen, ihre Angebote qualitativ und quantitativ bedarfsgerecht auszugestalten. Kantonale Unterschiede in der Aufgabenerfüllung sollten deshalb akzeptiert werden. Verschiedene Kantone erachteten das Entflechtungspotenzial als noch keineswegs ausgeschöpft. Aus «politischen» Gründen verblieben noch zu viele Verbundaufgaben, hielt der Bericht über die Vernehmlassung des Schlussberichts von 2000 fest. Um die NFA nicht zu gefährden, wurde andererseits empfohlen, auf besonders kontroverse Entflechtungen zu verzichten.
Ähnlich wie die Kantone argumentierten die bürgerlichen Parteien. Die CVP erachtete weitere Entflechtungen als denkbar und schlug die vollständige Kantonalisierung der Prämienverbilligung vor. Für die FDP waren die zahlreichen Teilentflechtungen unbefriedigend. Der Katalog der Verbundaufgaben sollte noch einmal auf vollständige Entflechtungen geprüft werden. Auch der Vorort – die Vorgängerorganisation von economiesuisse – argumentierte auf dieser Linie und unterstützte weitergehende Aufgabenentflechtungen.
Linke Parteien forderten dagegen anstelle von Entflechtungen vermehrt Bundeslösungen, die bundesrechtliche Definition von Mindeststandards und zweckgebundene Bundesmittel. Die Kantone würden die ihnen zugeteilten Leistungen aus Spargründen reduzieren und seien namentlich im Sozialbereich finanziell und organisatorisch überfordert. 26 kantonale Leistungssysteme wurden als teuer und ineffizient kritisiert, Effizienzgewinne wurden bezweifelt (Bericht über die Vernehmlassung 2000, S. 112). Nur einheitliche Bundeslösungen garantierten in dieser Sicht landesweite Minimalstandards und einheitliche Rechtsansprüche. Kantonalisierungen hätten, abgesehen davon, dass sie teuer seien, auch den Verlust von Fachwissen zur Folge.
In der parlamentarischen Beratung der 1. NFA-Botschaft (Februar 2002 bis Oktober 2003) wiederholten sich diese Argumente. Die Linke im Nationalrat lehnte in der Schlussabstimmung die Verfassungsgrundlage der NFA (Bundesbeschluss) geschlossen ab. Neben grundsätzlichen Vorbehalten führten Widerstände gegen den Rückzug des Bundes bei den kollektiven IV-Leistungen zur ablehnenden Haltung. Beide Räte stimmten der Verfassungsvorlage dennoch klar zu (126:54 bzw. 38:2 Stimmen). Auch die Volksabstimmung fiel klar aus. Ausser Schwyz, Nidwalden und Zug sagten alle Kantone am 28. November 2004 Ja zur NFA (64,3 Prozent Zustimmung). Der Widerstand der abweichenden Kantone (Geberkantone) richtete sich weniger gegen die Aufgabenteilung als gegen den neuen Finanzausgleich. Die Stimmbeteiligung betrug 36 Prozent.