Di­gi­ta­li­sie­rung in der Schu­le: die sechs gröss­ten Irr­tü­mer

Ideen für die Schu­le im di­gi­ta­len Zeit­al­ter lösen häu­fig Ab­wehr­re­fle­xe aus - meis­tens wegen Miss­ver­ständ­nis­sen. Bei nüch­ter­ner Be­trach­tung bie­tet die Di­gi­ta­li­sie­rung gros­se Chan­cen.

Ein Bon­mot be­sagt: Zwei Drit­tel der jet­zi­gen Pri­mar­schü­le­rin­nen und Pri­mar­schü­ler wer­den spä­ter einen Beruf aus­üben, den es heute noch nicht gibt. Job­pro­fi­le än­dern sich stän­dig, spe­zi­fi­sches Fach­wis­sen ver­al­tet rasch. Die Schu­le muss also junge Men­schen auf eine weit­ge­hend un­be­kann­te Zu­kunft vor­be­rei­ten. Wie soll sie mit der Her­aus­for­de­rung der Di­gi­ta­li­sie­rung um­ge­hen, ohne dabei zu Ste­reo­ty­pen und Ab­wehr­re­fle­xio­nen zu füh­ren? Aus mei­ner Sicht gilt es, sechs häu­fi­ge Miss­ver­ständ­nis­se zu klä­ren.

Kon­zen­tra­ti­on auf Spra­che und Mathe

Ers­tens: Ge­ra­de weil wir nicht wis­sen, wel­che Fach­kom­pe­ten­zen künf­tig ge­fragt sein wer­den, muss die Schu­le die Ver­mitt­lung der wich­ti­gen Grund­la­gen si­cher­stel­len. Schul­spra­che und Ma­the­ma­tik blei­ben also un­ver­zicht­bar. Hier geht es um Kom­pe­ten­zen, die es­sen­zi­ell sind für den wei­te­ren Lern­fort­schritt. Des­halb darf man in die­sen Fä­chern keine Kon­zes­sio­nen ma­chen.

In­for­ma­tik ein­bet­ten

Zwei­tens ist die In­for­ma­tik aus fast kei­nem Beruf mehr weg­zu­den­ken. Aber bitte nicht Of­fice-An­wen­dun­gen un­ter­rich­ten! Diese lernt man, indem man sie ein­setzt: Das Er­ler­nen soll in eine Pro­blem­stel­lung wie das Schrei­ben eines Tex­tes, das Hal­ten einer Prä­sen­ta­ti­on oder die Aus­wer­tung von Daten ein­ge­bet­tet sein. Erst durch das Pro­gram­mie­ren ler­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ver­ste­hen, wie ein Com­pu­ter und di­gi­ta­li­sier­te Pro­zes­se funk­tio­nie­ren. Am bes­ten lernt man eine Pro­gram­mier­spra­che, indem man selbst Pro­ble­me löst, statt eine vor­ge­fer­tig­te Pro­blem­lö­sung nach­zu­bau­en. Der eine oder an­de­re Ju­gend­li­che wird dann mo­ti­viert sein, sich zu ver­tie­fen oder sich viel­leicht einer Ro­bo­tics-Grup­pe an­zu­schlies­sen. Der Lehr­plan 21 ist kon­se­quent um­zu­set­zen.
 

Schüler programmieren Roboter

Mehr mo­ti­vie­ren statt do­zie­ren

Drit­tens er­for­dert der zweck­mäs­si­ge Um­gang mit der Di­gi­ta­li­sie­rung im Un­ter­richt von den Lehr­per­so­nen ein Um­den­ken. Sie müs­sen und kön­nen nicht län­ger über­all bes­se­re Kennt­nis­se haben als die Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Denn wenn Ju­gend­li­che Spass haben und mo­ti­viert wer­den, sich auch in der Frei­zeit mit In­for­ma­tik zu be­schäf­ti­gen, wer­den sie in Kürze in vie­len In­for­ma­tik­fra­gen mehr wis­sen und auch bes­ser pro­gram­mie­ren kön­nen als die Lehr­per­so­nen. Diese soll­ten die ei­gen­stän­di­gen Fort­schrit­te der Ler­nen­den un­ter­stüt­zen und ge­zielt im Un­ter­richt ein­set­zen.

Ge­misch­te Lehr­teams aus Jung und Alt

Vier­tens soll­ten die Schul­zim­mer ge­öff­net wer­den. Ent­schei­dend ist, dass die Lehr­per­so­nen mo­ti­viert sind, In­for­ma­tik zu un­ter­rich­ten. Auch Lehr­per­so­nen müs­sen Spass am In­for­ma­tik­un­ter­richt haben. Wieso nicht zu­sam­men mit einem In­for­ma­tik­lehr­ling das Logo-Pro­gram­mie­ren un­ter­rich­ten oder mit einer Gym­na­si­as­tin aus dem Lego-Ro­bo­tics-Team eine Ler­nein­heit be­strei­ten? Wenn die Lehr­per­son den En­thu­si­as­mus der Schü­le­rin­nen und Schü­ler sieht, wird sie sich auch gerne wei­ter­bil­den und die Leh­rein­heit spä­ter selbst durch­füh­ren.  

Damit die Jun­gen ein selbst­be­stimm­tes Leben ge­stal­ten kön­nen, braucht es ein hohes Mass an Hand­lungs-, Selbst- und So­zi­al­kom­pe­tenz.

Lehr­kräf­te fit ma­chen fürs Di­gi­ta­le

Fünf­tens sind die Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­len ge­for­dert, dass alle Lehr­kräf­te die er­for­der­li­chen Kom­pe­ten­zen im Be­reich der Di­gi­ta­li­sie­rung mit­brin­gen. Dies be­trifft nicht nur die Lehr­kräf­te in Aus­bil­dung. Auch die be­reits ak­ti­ven Lehr­kräf­te müs­sen für die Di­gi­ta­li­sie­rung fit ge­macht wer­den. 

So­zia­le Kom­pe­ten­zen nicht ver­ges­sen

Sechs­tens dür­fen trotz Di­gi­ta­li­sie­rung die «Soft Skills» nicht ver­ges­sen wer­den. Damit die Jun­gen ein selbst­be­stimm­tes Leben ge­stal­ten kön­nen, braucht es ein hohes Mass an Hand­lungs-, Selbst- und So­zi­al­kom­pe­tenz. Zudem ist der Mensch auf der so­zia­len Ebene und in kon­text­ab­hän­gi­gen Fra­ge­stel­lun­gen den Com­pu­tern über­le­gen. Des­halb: Ein Ski­la­ger, das Thea­ter­spie­len oder eine Mu­sik­wo­che sind ge­nau­so wich­tig wie die Ver­mitt­lung von Fach­wis­sen. Und im Lager darf die di­gi­ta­le Welt durch­aus auch mal aus­ge­blen­det wer­den. 

Die­ser Bei­trag er­schien erst­mals am 22. Fe­bru­ar 2018 in den «Schaff­hau­ser Nach­rich­ten».