Sag' mir, wo die Ärzte sind!

Seit 1970 wer­den jedes Jahr rund 700 bis 800 neue Ärz­tin­nen und Ärzte aus­ge­bil­det. Das In­land­po­ten­zi­al der letz­ten 40 bis 45 Jahre be­trägt dem­nach 30'000 bis 35'000 Ärzte. Tat­säch­lich ar­bei­ten aber we­ni­ger als 25‘000 Ärzte mit Schwei­zer Di­plom als Arzt.

Wo sind die rund zehn Jahr­gän­ge an aus­ge­bil­de­ten Schwei­zer Ärz­ten? Sie sind aus den Spi­tä­lern und Arzt­pra­xen ver­schwun­den. An ihrer Stel­le ar­bei­ten fast 10‘000 Ärzte mit aus­län­di­schem Di­plom. Der Bun­des­rat ver­sucht mit einem Mas­ter­plan für Haus­ärz­te, den Beruf des Grund­ver­sor­gers at­trak­ti­ver zu ma­chen. Eine Fi­nanz­sprit­ze von 100 Mil­lio­nen Fran­ken soll zu­sätz­li­che Stu­di­en­plät­ze für die Me­di­zi­ner­aus­bil­dung er­mög­li­chen. Doch was nützt das alles, wenn einer von fünf aus­ge­bil­de­ten Ärz­ten nicht mehr prak­ti­ziert? Ist der Arzt­be­ruf mit einem Me­di­an­ein­kom­men von 195‘000 Fran­ken zu un­at­trak­tiv? Oder fehlt in den Fir­men me­di­zi­ni­sches Wis­sen, das nur aus­ge­bil­de­te Ärzte bei­steu­ern kön­nen?

Eine Lö­sung lie­fert die ETH. Sie bie­tet ab 2017 einen Ba­che­lor in Me­di­zin an.

Eine Lö­sung lie­fert die ETH. Sie bie­tet ab 2017 einen Ba­che­lor in Me­di­zin an. 100 Stu­die­ren­de dür­fen an der To­phoch­schu­le Me­di­zin stu­die­ren. Lino Guz­zel­la, Prä­si­dent der ETH, möch­te tech­nisch ver­sier­te Ab­sol­ven­tin­nen und Ab­sol­ven­ten, die in die Boom­ge­bie­te Mo­le­ku­lar­bio­lo­gie und Ro­bo­tik me­di­zi­ni­sches Wis­sen ein­brin­gen kön­nen. Dies ist rich­tig und wich­tig, weil es Zu­kunfts­bran­chen be­trifft. Po­li­tisch kor­rekt er­wähnt er in In­ter­views als Ziel des Lehr­gangs auch die Ärz­teaus­bil­dung. Doch nie­mand wird daran zwei­feln, dass der An­teil künf­ti­ger, prak­ti­zie­ren­der Ärzte bei den ETH-Ab­sol­ven­ten noch viel klei­ner sein wird, als er bei den klas­si­schen Lehr­gän­gen schon ist. Wieso soll ich mich im Spi­tal ab­mü­hen, wo doch eine Start-up-Grün­dung winkt mit einem mög­li­chen Jack­pot von meh­re­ren Mil­lio­nen Fran­ken? Viel­leicht wird der ETH-Stu­di­en­gang trotz­dem mehr prak­ti­zie­ren­de Ärzte her­vor­brin­gen. Dann näm­lich, wenn tech­nisch in­ter­es­sier­te Stu­die­ren­de neu zur ETH gehen. In den klas­si­schen Me­di­zin­stu­di­en­gän­gen wer­den dann mehr Per­so­nen sein, die am Arzt­be­ruf wirk­lich in­ter­es­siert sind. Die Quote jener, die den Arzt­be­ruf ver­las­sen, könn­te dort sin­ken.

Soll­te man das Me­di­zin­stu­di­um an die Be­din­gung knüp­fen, nach Ab­schluss auch tat­säch­lich eine ge­wis­se Zeit als Arzt tätig zu sein?

Aber halt: Auch wenn es statt jeder fünf­te nur jeder sechs­te sein wird, der den Arzt­be­ruf ver­lässt, es wer­den immer noch sehr viele Ärzte aus­stei­gen. Was würde hel­fen? Soll­te man das Me­di­zin­stu­di­um an die Be­din­gung knüp­fen, nach Ab­schluss auch tat­säch­lich eine ge­wis­se Zeit als Arzt tätig zu sein? Das hat jüngst die «NZZ am Sonn­tag» vor­ge­schla­gen. Viel­leicht gäbe es eine bes­se­re Lö­sung. Da Aus­bil­dungs­plät­ze in Spi­tä­lern der Eng­pass im Stu­di­um sind, müss­ten diese kos­ten­pflich­tig wer­den. Die Voll­kos­ten hätte der Aus­zu­bil­den­de zu be­zah­len. Die­ses zu­sätz­li­che Aus­bil­dungs­geld würde er spä­ter zu­rück­er­stat­tet krie­gen, wenn er eine ge­wis­se Zeit als prak­ti­zie­ren­der Arzt tätig wäre. Somit bleibt die Wahl­frei­heit im Be­rufs­weg be­ste­hen. Durch den früh­zei­ti­gen Aus­stieg aus dem Arzt­be­ruf müss­te er hin­ge­gen auf einen Teil der Rück­erstat­tung ver­zich­ten.