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Bald Re­views und Block­chain statt staat­li­cher Auf­ga­ben?

Ein dy­na­mi­scher Wett­be­werb er­mög­licht funk­tio­nie­ren­de und über­zeu­gen­de Lö­sun­gen, ge­ra­de auch im di­gi­ta­len Um­feld. Geht es um die Er­fül­lung von staat­li­chen Auf­ga­ben, kön­nen die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger vom Wett­be­werb aber nur pro­fi­tie­ren, wenn der Staat der Pri­vat­wirt­schaft das Feld über­lässt oder zu­min­dest eng mit ihr zu­sam­men­spannt.

Soll eine be­stimm­te Auf­ga­be bes­ser dem Wett­be­werb oder dem Staat über­las­sen wer­den? Bei die­ser Dis­kus­si­on ist die Ideo­lo­gie oft stär­ker als die Ver­nunft, wie ein ak­tu­el­les Bei­spiel zeigt: Das Eid­ge­nös­si­sche Amt für Grund­buch- und Bo­den­recht ver­such­te vor Jah­ren, die Füh­rung der kan­to­na­len Grund­bü­cher zu di­gi­ta­li­sie­ren. Das Pro­jekt schei­ter­te, die Pri­vat­wirt­schaft sprang ein und hatte Er­folg: Das Sys­tem, das die Bör­sen­be­trei­be­rin SIX ent­wi­ckel­te und be­treibt, be­nut­zen heute schon 13 Kan­to­ne. Es be­währt sich bes­tens. 

Wider aller Logik will der Na­tio­nal­rat die­ses Er­folgs­mo­dell nun ab­schaf­fen. Un­ge­ach­tet der Schwie­rig­kei­ten, die der Bund in der Ver­gan­gen­heit bei In­for­ma­tik­pro­jek­ten hatte, soll er nun ein ei­ge­nes Sys­tem für die elek­tro­ni­sche Grund­buch­füh­rung auf­bau­en. Der Grund: Die Grund­buch­füh­rung sei eine ho­heit­li­che Auf­ga­be und ob­lie­ge dem Staat, nicht der Pri­vat­wirt­schaft. 

Das Ar­gu­ment der Tra­di­ti­on führt al­ler­dings in die Sack­gas­se. Eine Auf­ga­be, die die Pri­vat­wirt­schaft auf­grund der tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen bes­ser er­le­di­gen könn­te, darf nicht beim Staat be­las­sen wer­den. Nur weil der Staat frü­her viel­leicht ein­mal ein ge­eig­ne­ter An­bie­ter für eine Dienst­leis­tung war, muss dies heute und erst recht in Zu­kunft noch lange nicht der Fall sein. Alle Zu­stän­dig­kei­ten müs­sen stets – und im Lich­te der Di­gi­ta­li­sie­rung jetzt be­son­ders – neu ge­prüft und her­aus­ge­for­dert wer­den. Das gilt ins­be­son­de­re für jene Auf­ga­ben, bei denen der Staat In­for­ma­tio­nen zen­tral ver­wahr­te oder bis­lang als neu­tra­le Stel­le tätig war, da aus­schliess­lich er aus­rei­chen­de Glaub­wür­dig­keit ge­noss. 

Ei­gen­ver­ant­wor­tung ge­paart mit Nut­zer­intel­li­genz: eine schlag­kräf­ti­ge Mi­schung

Der Rück­gang der tra­di­tio­nel­len Be­deu­tung des Staa­tes be­trifft bei Wei­tem nicht nur Re­gis­ter, son­dern auch Vor­schrif­ten und Kon­trol­len und damit Re­gu­lie­run­gen und deren Durch­set­zung. Ver­trau­en, frü­her ein Mo­no­pol des Staa­tes, fin­det sich heute viel­mals glaub­wür­di­ger und ef­fi­zi­en­ter in der In­tel­li­genz des ver­netz­ten Sys­tems. Dank Block­chain-Tech­no­lo­gie bei­spiels­wei­se kön­nen in Zu­kunft Vor­gän­ge, die für Un­ter­neh­men und Aus­sen­ste­hen­de re­le­vant sind, ma­ni­pu­la­ti­ons­si­cher, un­mit­tel­bar und ef­fi­zi­ent er­fasst wer­den. Wofür braucht es dann noch ein staat­lich ge­führ­tes Han­dels­re­gis­ter?

Ein wei­te­res Bei­spiel, wie Nut­zer­intel­li­genz Ver­trau­en und Ef­fi­zi­enz schafft, sind On­line-Re­zen­sio­nen. Pri­va­te bie­ten an, dass man ihre Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen raten kann. Dies  er­laubt ob­jek­ti­ve Aus­sa­gen über die Qua­li­tät eines Pro­dukts. Wer­bun­gen, die ihr Ver­spre­chen nicht hal­ten, wer­den der Lüge über­führt. Der Kon­su­ment kann so ef­fi­zi­en­ter eine Ent­schei­dung tref­fen, als wenn das An­ge­bot erst durch kom­ple­xe staat­li­che Be­wil­li­gun­gen gehen muss. Braucht es für ge­wis­se Pro­duk­te doch eine un­ab­hän­gi­ge Kon­trol­le, bie­ten sich pri­va­te La­bels an, deren Glaub­wür­dig­keit die Kun­den wie­der­um pro­blem­los über das In­ter­net ab­klä­ren kön­nen. Be­reits heute in­for­miert sich ein hoher An­teil der Kon­su­men­ten vor dem Kauf eines Pro­dukts im In­ter­net über des­sen Qua­li­tät (ein­zel­ne Quel­len spre­chen von über 80 Pro­zent).

Die Re­gu­lie­rungs­spi­ra­le muss ge­stoppt wer­den

Der Ruf nach Staat ist all­ge­gen­wär­tig. Wird etwas als Pro­blem emp­fun­den, fin­den sich schnell Be­hör­den oder Po­li­ti­ker, die den Staat für die Lö­sung be­mü­hen wol­len. Die Folge ist eine neue Re­gu­lie­rung. Die tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen bie­ten die Mög­lich­keit, sich end­lich von die­ser Re­gu­lie­rungs­spi­ra­le zu lösen und pri­vat­wirt­schaft­li­che Re­gu­lie­rungs­mo­del­le zu schaf­fen. Die Auf­ga­ben des Staa­tes müs­sen hin­ter­fragt wer­den. Ef­fi­zi­en­te­re, si­che­re­re und nut­zer­freund­li­che­re – also bes­se­re Lö­sun­gen – müs­sen Vor­rang er­hal­ten, auch dann, wenn sie nicht vom Staat kom­men. 

Der Stän­de­rat hat nun beim elek­tro­ni­schen Grund­buch die Ge­le­gen­heit zu zei­gen, dass er die di­gi­ta­le Ent­wick­lung be­rück­sich­tigt. Er muss den Fehl­ent­scheid des Na­tio­nal­rats zum elek­tro­ni­schen Grund­buch keh­ren und die ef­fi­zi­en­te, be­ste­hen­de Lö­sung schüt­zen. Wenn er und wir die Auf­ga­ben des Staa­tes nicht kon­se­quent hin­ter­fra­gen, müs­sen wir uns nicht wun­dern, wenn die staat­li­che Re­gu­lie­rung und damit auch die staat­li­chen Ein­grif­fe wei­ter zu­neh­men – zum Scha­den der Wirt­schaft, zum Scha­den der Be­völ­ke­rung.