Kreislaufwirtschaft

Zir­ku­lä­rer Schub in der Schwei­zer Wirt­schaft

Die Wirt­schafts­dach­ver­bän­de eco­no­mie­su­is­se und Swiss­mem be­grüs­sen die Fort­schrit­te hin zu einer nach­hal­ti­ge­ren Wirt­schaft. Das zeigt auch die Viel­zahl der In­itia­ti­ven aus der Pri­vat­wirt­schaft. Der Staat ist gleich­zei­tig für die ge­eig­ne­ten Rah­men­be­din­gun­gen ver­ant­wort­lich.

 

Die Schweiz hat auf­grund des hohen Wohl­stands­ni­veaus einen über­durch­schnitt­li­chen Res­sour­cen­ver­brauch. Das stellt sie vor Her­aus­for­de­run­gen, wenn sie ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf Um­welt und Ge­sell­schaft ver­mei­den und Ver­sor­gungs­ri­si­ken mi­ni­mie­ren will. Ob­wohl noch Stei­ge­rungs­po­ten­zi­al be­steht, ist die Schweiz auf gutem Weg: Bei der Res­sour­cen­pro­duk­ti­vi­tät, die den öko­no­mi­schen Out­put pro Ein­heit ver­ar­bei­te­tem Ma­te­ri­al misst, ge­hört sie zu den Spit­zen­rei­te­rin­nen. Und es ist ihr ge­lun­gen, das Wirt­schafts­wachs­tum vom Res­sour­cen­ver­brauch zu ent­kop­peln. Weil die Schweiz ihren Res­sour­cen­ver­brauch al­ler­dings teil­wei­se auch ins Aus­land ver­la­gert, rückt die Nach­hal­tig­keit der Lie­fer­ket­ten ins Zen­trum der Auf­merk­sam­keit. Auch beim Re­cy­cling ge­niesst die Schweiz in­ter­na­tio­nal einen sehr guten Ruf, und aus der ur­sprüng­li­chen Ab­fall­ent­sor­gung ent­wi­ckel­te sich ein be­deu­ten­der Wirt­schafts­zweig.

Nach­hal­tig­keit als Chan­ce

Die Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie (MEM-In­dus­trie) hat ein In­ter­es­se an die­sen Ent­wick­lun­gen und setzt zu­neh­mend dar­auf, dass Ma­te­ri­al­kreis­läu­fe ge­schlos­sen und mög­lichst nach­hal­ti­ge Pro­duk­te ent­wi­ckelt wer­den. Aus­schuss soll in­tern wie­der­ver­wen­det wer­den, und der mo­du­la­re Auf­bau von Ma­schi­nen soll den Un­ter­halt und die Re­pa­ra­tu­ren ver­ein­fa­chen.

Für eine ver­netz­te und welt­weit agie­ren­de Bran­che wie die MEM-In­dus­trie haben sol­che nach­hal­ti­gen Ak­ti­vi­tä­ten auch glo­ba­le Aus­wir­kun­gen. Die Schweiz ist in­no­va­ti­ons­stark und gilt als Tech­no­lo­gie­lie­fe­ran­tin, wel­che Ver­fah­ren und An­la­gen für die Res­sour­cen­nut­zung be­reit­stellt. So kön­nen Ein­spa­run­gen, Ef­fi­zi­enz­fort­schrit­te oder hö­he­re Pro­duk­ti­ons­stan­dards auch bei Schwes­ter­wer­ken in Dritt­län­dern Rea­li­tät wer­den. Bei­spiels­wei­se hat der Schwei­zer Kabel- und Elek­tro­tech­nik­spe­zia­list Huber + Suh­ner in China ein Werk nach Schwei­zer Stan­dard er­stellt, wel­ches die An­sprü­che be­züg­lich Nach­hal­tig­keit er­füllt.

Nach­hal­ti­ger Res­sour­cen­ge­brauch ist dar­auf aus­ge­rich­tet, die En­er­gie und den Ma­te­ri­al­ein­satz bei der Her­stel­lung von Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen zu mi­ni­mie­ren. Gleich­zei­tig soll die Le­bens­dau­er der Er­zeug­nis­se op­ti­miert und Ab­fäl­le mög­lichst ver­mie­den wer­den. Durch Samm­lung, Tren­nung, Be­hand­lung und Ver­wer­tung der ver­blei­ben­den Ab­fäl­le wer­den Se­kun­där­roh­stof­fe her­ge­stellt und in die Wirt­schaft ein­ge­speist. Dass diese Se­kun­där­ma­te­ria­li­en von guter Qua­li­tät sind, ist heute oft noch ein Knack­punkt. Aus­ser­dem muss sich die Rück­ge­win­nung so­wohl öko­lo­gisch als auch wirt­schaft­lich loh­nen.

Neue Busi­ness­mo­del­le er­for­der­lich

Dazu wird das Prin­zip der nach­hal­ti­gen Res­sour­cen­wirt­schaft idea­ler­wei­se im Busi­ness­mo­dell in­te­griert. Aus­sichts­rei­che An­satz­punk­te für Un­ter­neh­men sind der Aus­bau des Ge­schäfts mit Re­pa­ra­tu­ren und Un­ter­halt sowie das An­bie­ten von Lea­sing­mo­del­len. Auch die Di­gi­ta­li­sie­rung dürf­te ein wich­ti­ges Ele­ment bei der Um­set­zung der Kreis­lauf­wirt­schaft sein. Die di­gi­ta­le Ver­net­zung von Ma­schi­nen und deren Über­wa­chung er­lau­ben bei­spiels­wei­se eine vor­aus­schau­en­de War­tung. Damit wer­den un­nö­ti­ger Ma­te­ri­al­ver­lust und Pro­duk­ti­ons­aus­fäl­le ver­hin­dert.

Aber eine Um­stel­lung des Ge­schäfts­mo­dells ist mit Ri­si­ken ver­bun­den und be­nö­tigt zu­sätz­li­che In­ves­ti­tio­nen. Aus­ser­dem müs­sen Fra­gen ge­klärt wer­den wie zum Bei­spiel: Was sind die Be­dürf­nis­se der Kun­den? Und wel­che Tech­no­lo­gi­en sind über­haupt ver­füg­bar? Aus­ser­dem müs­sen die Fir­men eru­ie­ren, wel­che al­ter­na­ti­ven Ma­te­ria­li­en sich eig­nen, wie sie die Fi­nan­zie­rung si­cher­stel­len kön­nen und wer Ei­gen­tü­mer der zu ver­mie­ten­den Pro­duk­te ist. Um diese Hür­den zu meis­tern, kön­nen neue For­men der Zu­sam­men­ar­beit inner- und aus­ser­halb der Bran­che sowie der Auf­bau neuer Kom­pe­ten­zen hilf­reich sein.

Als Lohn für die Mühen winkt den Un­ter­neh­men eine zu­neh­men­de Ei­gen­stän­dig­keit: Sie sind we­ni­ger ab­hän­gig von der Ver­füg­bar­keit der Res­sour­cen und von den Lie­fer­län­dern. Aus­ser­dem ver­spre­chen Öko­de­sign und die Wie­der­ver­wer­tung der Roh­stof­fe Kos­ten­ein­spa­run­gen. Das Mo­dell der Kreis­lauf­wirt­schaft stei­gert die Kun­den­bin­dun­gen und zudem wer­den durch Lea­sing- oder Miet­mo­del­le neue Markt­seg­men­te er­schlos­sen. Ma­kro­öko­no­misch ver­spricht eine res­sour­cen­ef­fi­zi­en­te Pro­duk­ti­on auf­grund re­du­zier­ter Ma­te­ri­al­kos­ten und ge­rin­ge­rer Vo­la­ti­li­tät der Roh­stoff­prei­se Vor­tei­le.

Auch der Staat kann sei­nen Bei­trag leis­ten, indem er li­be­ra­le Rah­men­be­din­gun­gen für ein in­no­va­ti­ons­freund­li­ches Um­feld ge­währ­leis­tet. Kon­kre­te Mass­nah­men müss­ten wohl­über­legt und aus­ge­wo­gen sein und könn­ten bei­spiels­wei­se aus der Schaf­fung von ge­eig­ne­ten An­rei­zen und der Re­duk­ti­on von re­gu­la­to­ri­schen Hin­der­nis­sen be­ste­hen.

Zahl­rei­che neue In­itia­ti­ven

In den letz­ten Jah­ren hat sich viel be­wegt in der Schwei­zer Ab­fall- und Res­sour­cen­wirt­schaft. Der 2018 ge­grün­de­te Ver­ein «Go for Im­pact» etwa steht für eine Ko­ope­ra­ti­on von Wirt­schaft, Wis­sen­schaft, Ge­sell­schaft und öf­fent­li­cher Hand. In­halt­lich legt der Ver­ein den Fokus auf Roh­stof­fe und Ma­te­ria­li­en. Die neue In­itia­ti­ve will die Schwei­zer Wirt­schaft dabei un­ter­stüt­zen, die ne­ga­ti­ven Um­welt­aus­wir­kun­gen zu re­du­zie­ren und die po­si­ti­ven Um­welt­im­pacts im In- und Aus­land zu stei­gern.

Ein wei­te­res Bei­spiel ist der so­ge­nann­te Res­sour­cen-Tria­log. Die­ser führ­te zu­sam­men mit be­trof­fe­nen Wirt­schafts­ver­bän­den, Um­welt­or­ga­ni­sa­tio­nen und staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen einen Dia­log­pro­zess zur Ab­fall- und Res­sour­cen­wirt­schaft – unter an­de­rem mit dem Bun­des­amt für Um­welt, dem Wirt­schafts­dach­ver­band eco­no­mie­su­is­se und dem Ver­band der Schwei­ze­ri­schen Ze­ment­in­dus­trie Cem­su­is­se. Dar­aus ent­stand der Plan «Res­sour­cen­wirt­schaft 2030» mit ge­mein­sa­mem Leit­bild. Die darin for­mu­lier­ten wich­tigs­ten Ziel­set­zun­gen sind das Ver­mei­den von Ab­fäl­len und die op­ti­ma­le Zir­ku­la­ti­on von Roh­stof­fen. Ge­ne­rell wer­den nach­hal­tig be­wirt­schaf­te­te Pri­mär- und Se­kun­där­roh­stof­fe in der Schweiz an­ge­strebt.

Wei­te­re In­itia­ti­ven und Ak­ti­vi­tä­ten aus der Pri­vat­wirt­schaft und der Zi­vil­ge­sell­schaft sind etwa die «Be­we­gung für eine Kreis­lauf­wirt­schaft» (Cir­cu­lar Eco­no­my Swit­z­er­land[7]), die Ver­an­stal­tungs­rei­he «Fo­kus­kreis­lauf­wirt­schaft» der Ver­bän­de Öbu und Swiss­cle­an­tech oder der «Cir­cu­lar Eco­no­my In­cu­ba­tor» des Im­pact Hub Swit­z­er­land.

Wirt­schaft be­grüsst Schlies­sung der Kreis­läu­fe

Die Wirt­schafts­dach­ver­bän­de eco­no­mie­su­is­se und Swiss­mem en­ga­gie­ren sich für einen ef­fi­zi­en­ten Schutz der Um­welt und für eine Wirt­schaft, die Um­welt­schä­den ver­mei­det und na­tür­li­che Res­sour­cen scho­nend ein­setzt. Beide Ver­bän­de be­grüs­sen die Stär­kung der Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz, die Schlies­sung der Stoff­kreis­läu­fe, die Stei­ge­rung der En­er­gie­ef­fi­zi­enz und das nach­hal­ti­ge Wirt­schaf­ten.

Trotz dem hohen Um­welt­be­wusst­sein von Wirt­schaft und Ge­sell­schaft in der Schweiz liegt beim scho­nen­den und kreis­lauf­ori­en­tier­ten Um­gang mit un­se­ren na­tür­li­chen Res­sour­cen und Roh­stof­fen noch ein gros­ses Po­ten­zi­al brach. Um die­ses zu er­schlies­sen und den Wan­del der Ge­schäfts­mo­del­le in diese Rich­tung zu er­mög­li­chen, ist ein in­no­va­ti­ons­freund­li­ches Um­feld un­er­läss­lich.

Die­ser Ar­ti­kel ist erst­mals am 18. Juli 2019 in «Der Volks­wirt­schaft» er­schie­nen und ent­stand in Zu­sam­men­ar­beit mit Dr. Chris­ti­ne Roth, Res­sort­lei­te­rin Um­welt, Swiss­mem.