Strassen Nairobis

Wirt­schaft in Tan­sa­nia und Kenia: zwi­schen Hof­fen und neuen Mög­lich­kei­ten

Staats­se­kre­tä­rin He­le­ne Bud­li­ger Ar­tie­da hat im Rah­men einer Wirt­schafts­mis­si­on Tan­sa­nia und Kenia be­sucht. Ziel war die Ver­tie­fung der Wirt­schafts­be­zie­hun­gen mit einem Schwer­punkt auf Cle­an­tech. Wäh­rend Tan­sa­nia be­rech­tig­te Hoff­nun­gen auf eine bes­se­re Wirt­schafts­ent­wick­lung haben darf, ist Kenia einen Schritt wei­ter und bie­tet be­reits heute in­ter­es­san­te Mög­lich­kei­ten für Di­rekt­in­ves­to­ren aus der Schweiz.

Ihre Augen wir­ken müde, als sie in der Mit­tags­hit­ze auf 1600 Me­tern mit ihrer Kol­le­gin in der Sam­mel­stel­le an­kommt. Plas­ti­k­ab­fall ist ein Ge­schäft für sie, wenn sie einen Sack voll davon der Sam­mel­stel­le ver­kauft. Ihre sechs­köp­fi­ge Fa­mi­lie wohnt in Nai­ro­bi, ge­nau­er in Ki­be­ra – mit einer Mil­li­on Be­woh­nern der gröss­te Slum der ke­nia­ni­schen Haupt­stadt. Die Mie­ten in Ki­be­ra sind hoch. Sie be­rich­tet, dass bei ihrer sechs­köp­fi­gen Fa­mi­lie das Mit­tags­es­sen manch­mal aus­fällt, wenn die Ta­ges­ein­nah­men aus Plas­tik­sam­meln und Wa­schen zu ge­ring sind. «Wir war­ten sehn­lichst auf die be­stell­ten Ma­schi­nen zur schnel­le­ren Be­ar­bei­tung des ein­ge­sam­mel­ten Plas­ti­k­ab­falls», so die Ma­na­ge­rin im Un­ter­neh­men «Mr Green Af­ri­ca» in der In­dus­trie­zo­ne Nai­ro­bis. Die Firma mit knapp 200 Mit­ar­bei­ten­den, mit­ge­grün­det vom Schweiz-Ame­ri­ka­ner Kei­ran Smith, hat eine star­ke Nach­fra­ge. Mit den auf­be­rei­te­ten Pel­lets wer­den wie­der­um All­tags­pro­duk­te wie Fla­schen oder Be­häl­ter her­ge­stellt. Die Qua­li­tät der re­cy­clier­ten Pel­lets muss stim­men, zwei Che­mi­ke­rin­nen über­wa­chen lau­fend den mehr­stu­fi­gen Auf­be­rei­tungs­pro­zess. Die Aus­sich­ten sind gut, der Markt ver­langt re­cy­clier­te Kunst­stoff­pro­duk­te. Das Un­ter­neh­men ist auf Ex­pan­si­ons­kurs.

Die Wirt­schafts­mis­si­on unter der Lei­tung von Staats­se­kre­tä­rin He­le­ne Bud­li­ger Ar­tie­da nach Tan­sa­nia und Kenia läuft unter dem Schwer­punkt Cle­an­tech. Die bei­den ost­afri­ka­ni­schen Nach­bar­staa­ten wol­len mehr aus­län­di­sche Di­rekt­in­ves­ti­tio­nen an­zie­hen, um eine ei­ge­ne In­dus­trie­pro­duk­ti­on auf­zu­bau­en, re­spek­ti­ve zu er­wei­tern. Dazu braucht es drin­gend bes­se­re In­fra­struk­tu­ren, Aus­bil­dung und Markt­in­te­gra­ti­on.

Hoff­nung in Tan­sa­nia

In Tan­sa­nia ist spür­bar, wie gross der Be­darf an In­ves­ti­tio­nen ist. Das Land hat mit 1245 US-Dol­lar (2022) ein sehr tie­fes Pro-Kopf-Ein­kom­men. Ver­kehrs- und En­er­gie­in­fra­struk­tu­ren sol­len in den kom­men­den Jah­ren zügig aus­ge­baut wer­den. Erst 38 Pro­zent der Haus­hal­te sind am Strom­netz an­ge­schlos­sen. Die jähr­li­che Strom­pro­duk­ti­on be­trägt ins­ge­samt 1.7 GWh und wird in den kom­men­den Jah­ren mas­siv er­höht. Das glei­che gilt für Tief­see­hä­fen, Ei­sen­bahn­stre­cken und das Stras­sen­netz. Das sind in­ter­es­san­te Fel­der für Schwei­zer Un­ter­neh­men – eben­so die Agrar­pro­duk­ti­on oder der Tou­ris­mus. Staats­se­kre­tä­rin Bud­li­ger be­ton­te ge­gen­über ihren Ge­sprächs­part­nern den Bei­trag von Schwei­zer Un­ter­neh­men und die Wich­tig­keit guter Rah­men­be­din­gun­gen vor Ort. Ab­kom­men über Dop­pel­be­steue­rung, Frei­han­del oder CO2-Re­duk­tio­nen kön­nen hier­zu wert­vol­le Bei­trä­ge sein. Eben­so wur­den Bü­ro­kra­tie und Kor­rup­ti­on an­ge­spro­chen. Tan­sa­nia ver­folg­te lange keine wirt­schafts­freund­li­che Po­li­tik. Die Fol­gen sind bis heute spür­bar. Doch die Re­gie­rung unter Staats­prä­si­den­tin Samia Has­san will dies nun än­dern. Wenn es ge­lingt, wird das roh­stoff­rei­che Land mit einer schnell wach­sen­den Be­völ­ke­rung sein Wirt­schafts­po­ten­zi­al auch nut­zen kön­nen. Für In­ves­to­ren mit ent­spre­chen­der Ri­si­ko­trag­fä­hig­keit kann ein frü­her Ein­stieg lang­fris­tig in­ter­es­sant sein. Dass dies immer mehr Schwei­zer Un­ter­neh­men auch ma­chen, zeigt die an­läss­lich der Wirt­schafts­mis­si­on ge­grün­de­te Swiss-Tan­za­ni­an Cham­ber of Com­mer­ce.

Op­por­tu­ni­tä­ten in Kenia

Kenia ist der wich­tigs­te Wirt­schafts­part­ner der Schweiz in Ost­afri­ka und hat seit sei­ner Un­ab­hän­gig­keit eine ver­gleichs­wei­se of­fe­ne Wirt­schafts­po­li­tik ver­folgt. Mit Agrar­pro­duk­ti­on, Tou­ris­mus, In­dus­trie und Dienst­leis­tun­gen ver­fügt das Land mit einem Pro-Kopf-Ein­kom­men von 2255 USD (2022) über eine di­ver­si­fi­zier­te Wirt­schafts­struk­tur. Wie Tan­sa­nia ist auch Kenia eine wich­ti­ge Achse für den Tran­sit­ver­kehr in die Län­der Zen­tral­afri­kas und treibt die Um­set­zung der Af­ri­can Con­ti­nen­tal Free Trade Area voran. Die Re­gie­rungs­ge­sprä­che von Staats­se­kre­tä­rin Bud­li­ger Ar­tie­da zeig­ten deut­lich das ge­mein­sa­me In­ter­es­se an einer Ver­tie­fung der Wirt­schafts­be­zie­hung bei­spiels­wei­se durch Ab­kom­men über Han­del und Dop­pel­be­steue­rung und eine en­ge­re Zu­sam­men­ar­beit bei der CO2-Re­duk­ti­on sowie Aus­bil­dung. Eben­so wich­tig ist der Schutz Geis­ti­gen Ei­gen­tums. Die gros­sen Men­gen an Par­al­lel­im­por­ten von Me­di­ka­men­ten aus Dritt­staa­ten birgt Ri­si­ken, da diese nicht an die ge­ne­ti­schen Ge­ge­ben­hei­ten an­ge­passt sind oder beim Trans­port falsch ge­la­gert wur­den. Noch ge­fähr­li­cher sind Pro­duk­te­fäl­schun­gen.

Kenia hat sich in den letz­ten Jah­ren immer mehr zum Hub für den gan­zen Kon­ti­nent ent­wi­ckelt. Das Land hat eine ein­ma­li­ge Dich­te an Di­rekt­flü­gen nach ganz Afri­ka. Dies wis­sen die an­säs­si­gen UNO-In­sti­tu­tio­nen und auch die Un­ter­neh­men zu nut­zen, wel­che sich immer mehr mit re­gio­na­len Head­quar­tern in Nai­ro­bi nie­der­las­sen. Die Nach­fra­ge nach qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­kräf­ten nimmt zu. Das Aus­bil­dungs­an­ge­bot weist hin­ge­gen noch Schwä­chen auf. Um dies zu ver­bes­sern, haben Swiss Con­tact, Ge­be­rit und die Hilti Stif­tung eine Aus­bil­dungs­stät­te für Lehr­lin­ge ge­grün­det. In der Pi­lot­pha­se wer­den in Nai­ro­bi zwei Lehr­gän­ge für Sa­ni­tä­re und Elek­tri­ker an­ge­bo­ten. Das An­ge­bot ist bei den Un­ter­neh­men und den Lehr­lin­gen auf gutes In­ter­es­se ge­stos­sen.

Auch bei der Nach­hal­tig­keit gibt es neue Ge­schäfts­mo­del­le, wie das Un­ter­neh­men «Mr Green Af­ri­ca» auf­zeigt. Die Elek­tri­fi­zie­rung des pri­va­ten Bus­ver­kehrs – in­di­rekt mit­fi­nan­ziert durch den Swiss In­vest­ment Fund for Emer­ging Mar­kets (SIFEM) – ist das Ziel des Start-ups «Basi-Go». Die Busse sind nicht nur güns­ti­ger im Be­trieb, son­dern kön­nen einen gros­sen Bei­trag zur Ver­bes­se­rung der Luft­qua­li­tät in der Me­ga­ci­ty Nai­ro­bi leis­ten. Die Be­stel­lung neuer e-Busse zeigt denn auch deut­lich nach oben.

Gros­se Her­aus­for­de­run­gen

Doch auch Kenia ist mit gros­sen Her­aus­for­de­run­gen kon­fron­tiert. Die Wäh­rungs­re­ser­ven des Lan­des wer­den knapp. Die Zen­tral­bank hat die Ge­schäfts­ban­ken an­ge­wie­sen, ihren Kun­den ma­xi­mal 5000 US-Dol­lar pro Tag aus­zu­zah­len. Da­durch wer­den Im­por­te mas­siv er­schwert. Viel schwe­rer wiegt die sich an­bah­nen­de Hun­gers­not. Im Nor­den des gros­sen Lan­des ist die Lage pre­kär. Es hat dort seit vier Jah­ren kaum ge­reg­net. Die­ser Teil Ost­afri­kas wird von der gröss­ten Dürre der letz­ten 40 Jahre heim­ge­sucht. Die wirt­schaft­li­chen Rück­schlä­ge der COVID-Pan­de­mie, die ge­stie­ge­nen Le­bens­mit­tel­prei­se als Folge des rus­si­schen An­griffs auf die Ukrai­ne und nun auch noch eine akute Dürre tref­fen die dort an­säs­si­ge Be­völ­ke­rung hart.