COP27 in Sharm El-Sheikh

Welt­kli­ma­kon­fe­renz: So wird’s nichts – aber es muss was wer­den

Am Sonn­tag ist in Sharm el-Sheikh die Kli­ma­kon­fe­renz «COP 27» mit we­ni­gen Hochs und vie­len Tiefs zu Ende ge­gan­gen. Ein Durch­bruch für das Klima war die Kon­fe­renz, auch aus Sicht der Wirt­schaft, nicht.

Die glo­ba­le Kli­ma­po­li­tik ist nicht auf Kurs, denn die Ver­pflich­tun­gen der Län­der rei­chen nicht, die Erd­er­wär­mung auf den Schwel­len­wert von 1,5 °C zu be­schrän­ken. Vom tat­säch­li­chen Ab­senk­pfad gar nicht zu spre­chen. Be­son­ders pro­ble­ma­tisch ist dabei das feh­len­de Be­kennt­nis gros­ser Emit­ten­ten – Prä­si­dent Xi von China und Prä­si­dent Putin von Russ­land kamen gar nicht, US-Prä­si­dent Biden kam zu spät. Auch die Schweiz bekam nicht ge­ra­de Blu­men, ist sie doch im Kli­ma­schutz-Ran­king um satte sie­ben Plät­ze ab­ge­rutscht und nun nicht mehr in den Top 20. Es zeigt sich auf jeden Fall klar, dass das 1,5-°C-Ziel zu­se­hends un­rea­lis­tisch wird und das durch­zo­ge­ne Er­geb­nis der Kon­fe­renz wird kaum etwas daran än­dern.

Nicht nur das at­mo­sphä­ri­sche, son­dern auch das zwi­schen­staat­li­che Klima ist ver­gif­tet

Die De­bat­te dreh­te sich so denn auch fast mehr um die Ver­tei­lung der Schä­den (so­ge­nann­te «loss and da­mages»), als um die Ver­hin­de­rung wei­te­rer Schä­den. An die­ser Frage schei­den sich die Mei­nun­gen: Ei­ner­seits sehen sich vor allem Ent­wick­lungs­län­der und In­sel­staa­ten als «Kli­ma­op­fer» und wol­len für Schä­den kom­pen­siert wer­den. An­de­rer­seits stör­ten sich west­li­che Staa­ten daran, dass sich Län­der wie China und Saudi-Ara­bi­en als ehe­ma­li­ge Schwel­len­län­der – aber nun Gross-Emit­ten­ten – ver­su­chen, sich eben­falls als Kli­ma­op­fer zu po­si­tio­nie­ren. Das ist für einen Gross­teil der ent­wi­ckel­ten Welt nicht hin­nehm­bar. Letzt­lich wurde ein Fonds zur Un­ter­stüt­zung der ärms­ten Län­der zur Scha­dens­be­wäl­ti­gung durch den Kli­ma­wan­del be­schlos­sen – wie stark das In­stru­ment greift, wird sich zei­gen.

Im­mer­hin an­er­ken­nen alle Staa­ten das Pro­blem

Po­si­tiv zu wer­ten ist, dass die Be­sorg­nis um das Klima welt­weit im­mer­hin ein kla­rer ge­mein­sa­mer Nen­ner ist. Der UN-Ge­ne­ral­se­kre­tär hat ein­drück­lich dazu auf­ge­ru­fen, dass wir mit Voll­gas auf der Au­to­bahn in die Kli­mah­öl­le fah­ren wür­den und den Fuss noch auf dem Gas­pe­dal hät­ten. Ob dies nun dazu führt, dass die glo­ba­le Ge­mein­schaft die nächs­te Aus­fahrt nimmt, bleibt offen.

Nur weil das 1,5-°C-Ziel un­rea­lis­tisch wird, heisst es aber noch lange nicht, dass sich nicht der Kampf um jedes Zehn­tel­grad lohnt. Die Schweiz kann dabei durch­aus eine Rolle spie­len:

  • Vom hohen Ross run­ter­stei­gen – nicht nur, aber auch die Schweiz. Das ist gar nicht so be­quem, denn wer vom hohen Ross steigt, be­fin­det sich im Matsch mit dem Rest. Doch da müs­sen alle Län­der durch. Die ent­wi­ckel­ten Län­der, die sich trotz ihrer ver­gleichs­wei­se tie­fen in­län­di­schen Emis­si­ons­in­ten­si­tät nicht aus ihrer Ver­ant­wor­tung steh­len dür­fen, ins­be­son­de­re für glo­ba­le Lie­fer­ket­ten. Das gilt auch für die Schweiz mit ihren Im­por­ten, die ihren Kli­ma­fuss­ab­druck fast ver­dop­peln. Und für Ent­wick­lungs­län­der, deren An­stren­gun­gen sich nicht darin er­schöp­fen dür­fen, für Kom­pen­sa­tio­nen zu kämp­fen und sich in die Op­fer­rol­le zu­rück­zu­zie­hen.
  • Den di­plo­ma­ti­schen Hebel nut­zen. Die Schweiz ver­ur­sacht als Klein­staat mit einem Pro­mil­le einen un­ter­durch­schnitt­li­chen An­teil an den glo­ba­len Emis­sio­nen. Gleich­zei­tig hat sie als en­ga­gier­tes und wohl­stän­di­ges Land ein über­pro­por­tio­na­les Ge­wicht in der Di­plo­ma­tie. Mehr als auf die Re­duk­ti­on der ver­blei­ben­den Emis­sio­nen im In­land (auch wenn dies wei­ter­hin frag­los ihre Pflicht ist), soll­te die Schweiz den Fokus dar­auf legen, in­ter­na­tio­nal Fort­schrit­te her­bei­zu­füh­ren. Ein Bei­spiel wäre der G7-Kli­ma­club, der die glo­ba­le Kli­ma­po­li­tik auf den Kopf stel­len würde. Eine ein­ge­hen­de Prü­fung der Un­ter­stüt­zung eines sol­chen Kli­ma­clubs würde der Schweiz gut an­ste­hen.
  • Den wirt­schaft­li­chen Hebel nut­zen. Eine Stu­die von McK­in­sey in Zu­sam­men­ar­beit mit eco­no­mie­su­is­se und WWF hat ge­zeigt: Die Schweiz hat einen im­men­sen glo­ba­len Kli­ma­he­bel – durch ihre star­ke, glo­ba­le Wirt­schaft ist sie ein Kli­ma­stand­ort. Und hier sind Schwei­zer Un­ter­neh­men füh­rend: Vor Kur­zem hat sich das 100. Schwei­zer Un­ter­neh­men wis­sen­schafts­ba­sier­te Kli­ma­zie­le unter SBTi ge­setzt – damit dekar­bo­ni­sie­ren Schwei­zer Un­ter­neh­men glo­bal mehr als ein Neun­fa­ches der Schwei­zer In­land­se­mis­sio­nen. Wir wagen sogar die Pro­gno­se, dass die Schwei­zer Un­ter­neh­men sich an das 1,5-°C-Ziel an­nä­hern könn­ten. Hier gilt es die Un­ter­neh­men auf die­ser am­bi­tio­nier­ten Reise zu un­ter­stüt­zen, denn damit kann die Schweiz im glo­ba­len Kampf gegen den Kli­ma­wan­del tat­säch­lich etwas be­we­gen.
  • Vor­be­rei­tun­gen tref­fen. Grös­se­re Schä­den durch den glo­ba­len Kli­ma­wan­del sind wahr­schein­lich. Eine kluge Po­li­tik in­ves­tiert nicht nur in Ver­mei­dung – unser Land kann zwar eine Rolle spie­len, aber über glo­ba­len Er­folg oder Miss­er­folg ent­schei­den an­de­re. Wir müs­sen die Resi­li­enz der Schweiz stär­ken – bei­spiels­wei­se, indem wir Trink­was­ser­sys­te­me zu­sam­men­hän­gen, Hoch­was­ser­schutz ver­bes­sern, Schutz von Äl­te­ren und Kran­ken gegen Hit­ze­wel­len ge­währ­leis­ten. Kri­ti­ker sagen, In­ves­ti­tio­nen in Resi­li­enz wür­den von Re­duk­ti­ons­mass­nah­men ab­len­ken – aber ein Ret­tungs­boot lenkt den Ka­pi­tän auch nicht vom rich­ti­gen Kurs des Schif­fes ab.

Um Fort­schrit­te gegen den Kli­ma­wan­del zu er­zie­len, be­nö­tigt es jetzt mehr Mit­ein­an­der denn je. Vor die­sem Hin­ter­grund ist die Ge­spal­ten­heit der glo­ba­len Ge­mein­schaft fast be­denk­li­cher als die feh­len­den Fort­schrit­te. Genau hier kann die Schweiz als Land mit in­ter­na­tio­na­ler Strahl­kraft an­set­zen. Denn was noch nicht ist, kann – und muss! – noch wer­den.