SNB muss unabhängig bleiben – keine systemfremde Finanzierung der AHV
Das Parlament wird die Beratung der AHV21-Reform voraussichtlich in der Wintersession abschliessen. Die Finanzen der AHV sollen in den nächsten Jahren sowohl über eine Erhöhung des Frauenreferenzalters als auch über eine höhere Mehrwertsteuer stabilisiert werden. Eine systemfremde Zuweisung der Einnahmen aus den SNB-Negativzinsen an die AHV braucht es hingegen nicht. Damit würde die Unabhängigkeit der SNB infrage gestellt und die ohnehin schwierige Lösungsfindung aus Sicht der Wirtschaft noch schwieriger.
Die Finanzperspektiven sind klar: Es sind dringend Massnahmen nötig, um die AHV finanziell für die nächsten Jahre zu stabilisieren. Die Wirtschaft unterstützt deshalb eine Reform und ist bereit, einen Beitrag zu leisten. Die Gesamtbetrachtung des vorliegenden Projekts AHV21 steht allerdings noch aus, da das Parlament die Reform voraussichtlich erst in der Wintersession definitiv beschliessen wird.
Vorlage immer noch nicht im Gleichgewicht
Gemäss vorliegendem Entwurf soll die AHV einerseits über die Anhebung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre stabilisiert werden. Diese strukturelle Massnahme bringt zwar eine deutliche Entlastung der AHV. Fast die Hälfte der freigewordenen Mittel fliesst aber gleich wieder in Ausgleichs- und Flexibilisierungsmassnahmen. Dazu kommt die Anhebung der Mehrwertsteuer (MWST) um wahrscheinlich 0,4 Prozentpunkte. In dieser Konstellation trägt die Zusatzfinanzierung fast doppelt so viel zur Stabilisierung der AHV bei als die Anpassung des Frauenreferenzalters. Damit entspricht das Reformpaket nicht dem von der Wirtschaft aus Nachhaltigkeitsgründen geforderten Gleichgewicht. Das ist aber nicht die einzige Schwachstelle der aktuellen Vorlage.
Unabhängigkeit der SNB ist nicht verhandelbar
Ebenso gravierend sind aus Sicht der Wirtschaft systematische Eingriffe wie zum Beispiel die Bindung der Einnahmen der Nationalbank aus den Negativzinsen für die AHV. Damit steht die Glaubwürdigkeit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) als eine von der Politik unabhängige Instanz auf dem Spiel. Diese verfassungsmässig garantierte Unabhängigkeit ist kein Selbstzweck. Die Nationalbank kann sich an den Finanzmärkten nur dann zugunsten der Preisstabilität und der Abfederung von Währungs- bzw. makroökonomischen Schocks glaubhaft durchsetzen, wenn die Marktteilnehmer überzeugt sind, dass die SNB auch bei unpopulären Massnahmen nicht durch politische Einmischung geschwächt wird. Das heisst konkret: Die Negativzinsen würden unwirksam, wenn der Eindruck entstünde, dass diese nur noch bestehen, um Einnahmen für die AHV zu generieren.
AHV braucht strukturelle Lösung statt temporäre SNB-Gelder
Aber auch aus Sicht einer nachhaltigen finanziellen Stabilisierung der AHV sind SNB-Gelder ungeeignet. Negativzinsen sind ein rein geldpolitisches Mittel, um dem Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken zu begegnen. Darum können Negativzinsen nur vorübergehend sein und müssen, sobald es die Umstände zulassen, wieder aufgehoben werden. Das heutige finanzielle Ungleichgewicht der AHV muss aber im Interesse sicherer Renten langfristig stabilisiert werden. Folglich eignen sich temporäre SNB-Gelder zur Finanzierung der AHV nicht. Was die AHV braucht sind nachhaltige Lösungen, die das rasche, demografiebedingte Kostenwachstum in den nächsten Jahrzehnten bewältigen können. Dafür ist die strukturelle Anpassung des Referenzalters an die deutlich längere Lebenserwartung aus Sicht der Wirtschaft die sinnvollste Massnahme. Allein durch Zusatzfinanzierungen – ob durch die SNB oder die MWST – ist das Kostenproblem der AHV nicht in den Griff zu bekommen.
Eine Reform der AHV ist kein Spaziergang. Sie sollte deshalb nicht noch durch systemfremde Elemente erschwert werden. Die Wirtschaft steht geschlossen hinter einer langfristig angelegten Strategie zur Sicherung der Altersvorsorge, die auf nachhaltigen, transparenten und gleichgewichtigen Lösungen aufbaut. Vor diesem Hintergrund wird die schliesslich vom Parlament verabschiedete Reform AHV21 zu beurteilen sein. Die Wirtschaft zählt auf ein ausgewogenes Ergebnis ohne Nationalbankgelder (lesen Sie dazu auch unsere Sessionsvorschau).