Mehr Rea­li­täts­sinn in der Ver­kehrs­po­li­tik

Hehre Ziele hegt die Alpen-In­itia­ti­ve. Frag­lich ist schon, ob wäh­rend der Sa­nie­rungs­zeit des Gott­hard­tun­nels der wirt­schaft­li­che und ge­sell­schaft­li­che Aus­tausch zwi­schen dem Tes­sin und der Deutsch­schweiz bzw. dem Aus­land und der Schweiz ohne Tun­nel aus­rei­chend funk­tio­niert. Nun geht die Alpen-In­itia­ti­ve noch einen Schritt wei­ter. Sie will die Gott­har­d­röh­re grund­sätz­lich für den Schwer­ver­kehr sper­ren.
​Zwi­schen Erst­feld und Bias­ca sol­len Last­kraft­wa­gen (LKW) nach Mei­nung der Alpen-In­itia­ti­ve de­fi­ni­tiv auf die Schie­ne ver­la­gert wer­den. Diese Idee ist zwar ir­gend­wie ori­gi­nell, aber nicht wirk­lich sinn­voll. Ein gros­ser Teil des al­pen­que­ren­den Gü­ter­ver­kehrs fin­det be­reits auf der Schie­ne statt – über 60 Pro­zent des Gü­ter­ver­kehrs in Net­to­ton­nen durch­que­ren die Alpen auf der Schie­ne. Das Ziel des Ver­la­ge­rungs­ge­set­zes, die An­zahl al­pen­que­ren­der LKW-Fahr­ten auf die (will­kür­li­che) Zahl von 650'000 pro Jahr zu be­schrän­ken, wird aber seit Jah­ren ver­fehlt. Die LKW-An­zahl im Tun­nel auf Null zu re­du­zie­ren, ist noch we­ni­ger rea­lis­tisch. Die An­zahl der schwe­ren Fahr­zeu­ge im Gott­hard­tun­nel ist auch nicht a prio­ri das Pro­blem – sie ma­chen le­dig­lich 16 Pro­zent der Fahr­zeu­ge aus. 4,6 Mil­lio­nen Per­so­nen­fahr­zeu­ge durch­que­ren jedes Jahr den Gott­hard-Stras­sen­tun­nel. Ver­kehr ist kein Selbst­zweck. Ver­kehrs­strö­me sind von wirt­schaft­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten ab­hän­gig. In­so­fern stellt sich auch die Frage, wie und ob sol­che Ver­kehrs­strö­me ge­lenkt wer­den kön­nen bzw. sol­len. Es macht Sinn, in einer um­fas­sen­den ver­kehrs­po­li­ti­schen Be­trach­tung die Vor- und Nach­tei­le der Ver­kehrs­trä­ger zu be­rück­sich­ti­gen. Der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr ist dabei vor­wie­gend über weite Stre­cken für gros­se Men­gen an Gü­tern ef­fi­zi­ent. Dafür soll­te er auch zum Ein­satz kom­men, wie es schon heute ge­schieht. Durch rea­li­täts­fer­ne „Lenk­ver­su­che“ ent­ste­hen nicht sel­ten ef­fi­zi­enz­schmä­lern­de Ver­zer­run­gen. Im Zen­trum steht die ef­fi­zi­en­te und zu­ver­läs­si­ge Mo­bi­li­tät von Gü­tern und Per­so­nen. Die Wahl der Ver­kehrs­trä­ger soll­te in ers­ter Linie durch die Nut­ze­rin­nen und Nut­zer er­fol­gen. Mehr Ver­trau­en auf Markt­kräf­te und die ent­spre­chen­de Nach­fra­ge wäre dabei er­wünscht.