Mehr Köpf­chen statt Kup­fer

Eine neue Stu­die pro­gnos­ti­ziert hohe Kos­ten, um un­se­re Strom­net­ze fit für die Zu­kunft zu ma­chen. Wich­tig ist, dass aber nicht nur mehr, son­dern auch klü­ger ge­baut wird.

Bis zu drei Mil­li­ar­den Fran­ken kos­tet der not­wen­di­ge Un­ter­halt und Aus­bau des Strom­ver­teil­net­zes bis 2050 pro Jahr. Diese Bombe liess das Bun­des­amt für En­er­gie kürz­lich plat­zen. Es lässt sich nur mut­mas­sen, ob es der schwer­fäl­li­ge, 17 Wör­ter lange Titel oder ein Über­druss an schlech­ten Nach­rich­ten im En­er­gie­be­reich waren, die zur un­ge­bühr­lich tie­fen Be­ach­tung der Stu­die ge­führt haben. Aber die Schluss­fol­ge­run­gen der Stu­die haben es in sich: Über 30 Mil­li­ar­den Fran­ken kos­tet es extra, die Ver­teil­net­ze fit für die Zu­kunft zu ma­chen. Um das zu fi­nan­zie­ren, müss­te das Netz­ent­gelt, das in nor­ma­len Zei­ten mehr als die Hälf­te des Strom­prei­ses aus­macht, bis zu 70 Pro­zent stei­gen.

Der gros­se In­ves­ti­ti­ons­be­darf ist ei­gent­lich keine Über­ra­schung. Ein rapid stei­gen­der Strom­ver­brauch, der von jetzt etwa 60 TWh bis 2050 auf etwa 90 TWh an­wach­sen wird, und eine Strom­pro­duk­ti­on, die ver­mehrt de­zen­tral auf Dä­chern, Hü­geln und Ber­gen statt­fin­den wird, ma­chen einen Netz­aus­bau not­wen­dig. Trotz­dem muss diese Zahl Haus­hal­te und Un­ter­neh­men, die be­reits heute unter hohen Strom­kos­ten lei­den, ver­un­si­chern.

Po­li­tik, Wirt­schaft und Ge­sell­schaft müs­sen sich die­sem viel zu wenig be­ach­te­ten Thema an­neh­men:

  1. Di­gi­ta­li­sie­ren: Un­se­re Netz­in­fra­struk­tur ist ver­al­te­tet und ana­log. Dies be­trifft zum Bei­spiel das Mess­we­sen, wo das Feh­len von «Smart Me­tern» eine in­tel­li­gen­te Ver­wen­dung der Netze gar nicht er­mög­licht. Hier braucht es Druck von der Po­li­tik und die längst über­fäl­li­ge Li­be­ra­li­sie­rung, damit etwas Be­we­gung in den schwer­fäl­li­gen Markt mit rund 650 Elek­tri­zi­täts­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men kommt.
  2. Op­ti­miert bauen: Der Aus­bau der Ver­teil­net­ze fällt in die Kom­pe­tenz von Kan­to­nen und Ge­mein­den sowie der je­wei­li­gen Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men. Hier liegt ei­ni­ges im Argen: Stras­sen wer­den bei­spiels­wei­se gleich mehr­mals auf­ge­ris­sen, weil (Ab-)Was­ser-, Gas-, Fern­mel­de- und Stromin­fra­struk­tur nicht ko­or­di­niert wer­den. Auch führt eine Art staat­li­che Ge­winn­ga­ran­tie auf dem Netz­bau dazu, dass ten­den­zi­ell zu viel ge­baut wird. Und zu­letzt wird das Po­ten­zi­al von Bat­te­ri­en, wel­che die Netze ent­las­ten kön­nen, kaum ge­nutzt. Es braucht daher Ko­or­di­na­ti­on und An­reiz­sys­te­me, so­dass nicht nur mehr, son­dern bes­ser ge­baut wird. Im­mer­hin hat be­tref­fend die Ge­winn­ga­ran­tie der Stän­de­rat in einem ak­tu­ell hän­gi­gen Ge­setz Lö­sun­gen vor­ge­se­hen – jetzt liegt es am Na­tio­nal­rat, diese zu be­stä­ti­gen.
  3. Kos­ten­wahr­heit schaf­fen: Fast un­be­merkt wer­den im Netz­be­reich Mil­li­ar­den um­ver­teilt, denn das ge­zahl­te Netz­ent­gelt und die ver­ur­sach­ten Kos­ten stim­men nur teil­wei­se über­ein. Auch be­steht kein An­reiz, Strom­pro­duk­ti­on dort zu bauen, wo es be­reits Netze gibt. Es braucht daher eine in­no­va­ti­ve Neu­ge­stal­tung der Ta­ri­fie­rung. Nach­fra­ge­sei­tig soll­te das Netz­ent­gelt nicht nur von der Menge des be­zo­ge­nen Stroms, son­dern ver­ur­sa­cher­ge­recht auch vom Zeit­punkt des Be­zugs und der Di­men­sio­nie­rung des not­wen­di­gen An­schlus­ses ab­hän­gen. An­ge­bots­sei­tig wäre zu er­wä­gen, den Aus­bau nahe bei der be­ste­hen­den In­fra­struk­tur zu be­vor­tei­len.

Die Strom­net­ze sind in der ak­tu­el­len De­bat­te ein zu wenig be­ach­te­tes Thema. Für die Strom­ver­sor­gung der Zu­kunft kommt ein be­trächt­li­cher Aus­bau auf uns zu. Wich­tig wäre aber nicht ein­fach mehr, son­dern op­ti­miert zu bauen. Es braucht mehr Köpf­chen statt nur mehr Kup­fer.

 

Die Erst­pu­bli­ka­ti­on die­ses Bei­trags er­folg­te am 23. Ja­nu­ar 2023 im Tages-An­zei­ger.