Knochenarbeit im Alltag für weniger Bürokratie
Überall wächst die Regulierungsdichte. Punktuelle Deregulierungen sind grosse Ausnahmen. Auf Krisen folgen meist besonders markante Regulierungsschübe. Diese ungebrochene Entwicklung bedroht die Wettbewerbsfähigkeit ernsthaft. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu, mindert aber mitnichten die Brisanz. Der liberale Think-Tank «Avenir Suisse» hat jüngst ein beachtenswertes Diskussionspapier (Link) zum Thema veröffentlicht. Neben einer treffenden Analyse formuliert die Studie auch Vorschläge zur Lichtung des wuchernden Dickichts von Vorschriften. Hier zeigt sich: Nur kleine Schritte und fortwährende Anstrengungen bei der Gesetzgebung und im Vollzug können Abhilfe schaffen. Ein Kahlschlag ist nicht möglich. Ebenso wenig gibt es eine Pauschallösung.
Die zunehmende Regulierungsdichte gleicht dem Wachstum einer Würgepflanze, die allmählich ihren Tragbaum erdrosselt. Die Entwicklung beginnt wenig spektakulär: Ein Vogel setzt mit seinem Kot Samen auf einem Ast im Kronendach ab, wo sie keimen. Alsbald beginnt die junge Pflanze Luftwurzeln zum Waldboden hinabzuschicken. Es bilden sich immer mehr und dickere Wurzeln, die mit der Zeit verholzen. Das ist der Anfang des Endes für den Wirtsbaum, der einen schleichenden Tod stirbt. Bis das enge Geflecht die Baumkrone ganz überwachsen und die Leitgefässe des Stammes abgeschnürt hat, kann es Jahrzehnte dauern.
Ganz ähnlich bilden immer mehr und einschränkende Vorschriften von Bund, Kantonen und Gemeinden ein engmaschiges Netz, das sich über alle Lebens- und Rechtsbereiche legt: Es beschneidet die unternehmerische und persönliche Freiheit und schnürt Eigenverantwortung und Wettbewerb zunehmend die Luft ab. Besonders stark betroffen sind: Bauwesen, (Mehrwert-)Steuern, Finanzmarkt, Gesundheits- und Umweltbereich, Zollwesen oder der Konsumentenschutz.
Die Summe ist das Problem, Kahlschlag aber nicht die Lösung
Problematisch ist nie ein einzelnes Gesetz, eine Verordnung oder ein Rundschreiben. Es ist vielmehr die immer grössere Summe all dieser Vorschriften, die erstickend wirkt. Gleichzeitig ist Regulierung als solche nicht automatisch schlecht. Es braucht sie etwa für die Sicherheit (z.B. Bauvorschriften) oder um den wettbewerblichen Rahmen zu gestalten (z.B. Kartell-, Aktien- oder Patentrecht), um Vereinbarkeit zu erreichen (z.B. im Strassenverkehr oder bei der Zuteilung von Mobilfunklizenzen) oder den Marktzugang zu sichern. Ein Teil der Regulierungen ist daher sehr oft sachlich begründet. Ein rein quantitativer Ansatz, also die pauschale Forderung nach einem radikalen Regulierungsabbau oder einer Verringerung der Regulierungskosten, ist deshalb nicht hilfreich.
Massnahmenbündel mit interessanten Denkanstössen
Wichtig ist, dass der Gesetzgeber immer auch ein «Nichtstun» als Handlungsoption einbezieht. Ebenso wichtig ist der Dialog mit den betroffenen Wirtschaftskreisen – und zwar vor der Rechtssetzung wie auch während des Vollzugs. Dieser Dialog muss vermehrt zweckorientiert und pragmatisch, anstatt formalistisch erfolgen. Für bessere und weniger Regulierung schlägt «Avenir Suisse» zudem verschiedene Massnahmen vor:
Einfache Kosten-Nutzen-Analysen durch ein unabhängiges Kompetenzzentrum sollen die komplexe, verwaltungsinterne Regulierungsfolgeabschätzung ersetzen.
Opting-out-Klauseln bei gewissen Gesetzen
Periodische Überprüfung und Auslichtung der Regulierung
Einführung einer Regulierungsbremse analog der Schuldenbremse
Gleichwertigkeit mit ausländischen Regulierungen anstreben, anstatt diese einfach abzuschreiben.
Tägliche Knochenarbeit bleibt unabdingbar
Diese Vorschläge für eine «smartere» Regulierung erscheinen grundsätzlich sinnvoll und richtig. Bei dem unabhängigen Kompetenzgremium fragt sich allerdings, ob mit der Schaffung einer zusätzlichen Stelle dem Ziel gedient wird. Der Erfolg eines solchen Gremiums würde jedenfalls mit dessen politischen Neutralität und Akzeptanz stehen und fallen. Hier offenbart sich die Schwierigkeit von schematischen Ansätzen. In erster Linie bedarf Regulierungsabbau der Kleinarbeit im gesetzgeberischen Alltag und im Vollzug. Dafür setzt sich economiesuisse Tag für Tag ein.