CO2

EU re­for­miert Emis­si­ons­han­del und führt neuen CO₂-Grenz­aus­gleich ein

Am Sonn­tag hat sich die EU auf die we­sent­li­chen Teile ihres «Fit-for-55»-Kli­ma­pa­kets ge­ei­nigt. Neben einer Ver­schär­fung ihres Emis­si­ons­han­dels­sys­tems und der Ein­füh­rung eines Kli­ma­so­zi­al­fonds hat sie einen neuen CO₂-Grenz­aus­gleichs­me­cha­nis­mus be­schlos­sen. Dank der Teil­nah­me am Emis­si­ons­han­dels­sys­tem der EU wer­den Schwei­zer Ex­por­teu­re zwar keine Ab­ga­ben zah­len müs­sen, von einem ad­mi­nis­tra­ti­ven Mehr­auf­wand wer­den sie aber gleich­wohl be­trof­fen sein. Zudem stel­len sich han­dels­recht­li­che Fra­gen.

Mit dem Kli­ma­pa­ket «Fit-for-55» will die EU ihre Treib­haus­gas­emis­sio­nen bis 2030 um 55 Pro­zent ge­gen­über 1990 re­du­zie­ren. Am Sonn­tag haben sich das EU-Par­la­ment, der Rat und die EU-Kom­mis­si­on im Rah­men eines «Jumbo-Tri­logs» auf die zen­tra­len Pfei­ler die­ses Pa­kets ge­ei­nigt.

Neuer CO2-Grenz­aus­gleichs­me­cha­nis­mus ab 1. Ok­to­ber 2023

Einer der wich­tigs­ten Streit­punk­te in den mehr­tä­gi­gen Ver­hand­lun­gen war der Um­gang mit kos­ten­lo­sen Emis­si­ons­zer­ti­fi­ka­ten. Wie der EU-Tri­log nun be­schlos­sen hat, sol­len diese ab 2026 schritt­wei­se ab­ge­baut und bis im Jahr 2034 voll­stän­dig ab­ge­schafft wer­den.

Als Er­satz hat die EU die Ein­füh­rung eines CO₂-Grenz­aus­gleichs­me­cha­nis­mus (Car­bon Bor­der Ad­just­ment Me­cha­nism, EU-CBAM) be­schlos­sen. Ze­ment, Eisen und Stahl, Alu­mi­ni­um, Dün­ger, Elek­tri­zi­tät und Was­ser­stoff sol­len künf­tig bei der Ein­fuhr in die EU mit einem CO₂-Preis­auf­schlag be­legt wer­den. Die EU will damit ver­hin­dern, dass Fir­men ihre Pro­duk­ti­on auf­grund stei­gen­der CO₂-Prei­se aus der EU ins Aus­land ver­la­gern («Car­bon Le­a­ka­ge»). EU-CBAM soll ab dem 1. Ok­to­ber 2023 ein­ge­führt wer­den, wobei EU-Im­por­teu­re vor­erst nur einer Mel­de­pflicht un­ter­lie­gen. Nach Ende die­ser Über­gangs­zeit am 31. De­zem­ber 2025 wer­den sie zu­sätz­lich eine CO₂-Ab­ga­be zah­len müs­sen, so­weit sie an ihrem Pro­duk­ti­ons­stand­ort nicht eben­falls gleich­wer­ti­ge CO₂-Ab­ga­ben ent­rich­ten.

Ad­mi­nis­tra­ti­ve Her­aus­for­de­rung für Schwei­zer Ex­port­wirt­schaft

eco­no­mie­su­is­se be­grüsst das de­zi­dier­te Han­deln im Kampf gegen den Kli­ma­wan­del, weist aber auf das Ri­si­ko nicht fer­tig ge­dach­ter Me­cha­nis­men hin. Die Schwei­zer Wirt­schaft hat sich zu Netto-Null bis 2050 be­kannt und un­ter­stützt Mass­nah­men, um den Kli­ma­wan­del zu be­kämp­fen und un­er­wünsch­te Ef­fek­te wie «Car­bon Le­a­ka­ge» zu ver­hin­dern. Auch ist es po­si­tiv zu wer­ten, dass Schwei­zer Im­por­te in die EU von der EU-CBAM-Ab­ga­be­pflicht ex­pli­zit aus­ge­nom­men sind. Dies vor dem Hin­ter­grund, dass die Schweiz ihr ei­ge­nes Emis­si­ons­han­dels­sys­tem (EHS) im Jahr 2020 mit jenem der EU ge­kop­pelt hat. Gleich­wohl wer­den Schwei­zer Un­ter­neh­men künf­tig beim Ex­port von emis­si­ons­in­ten­si­ven Pro­duk­ten in die EU mit einem zu­sätz­li­chen ad­mi­nis­tra­ti­ven Auf­wand kon­fron­tiert sein (kom­ple­xe Ab­klä­run­gen, Be­schaf­fung von Do­ku­men­ten usw.). Aus Sicht von eco­no­mie­su­is­se stellt die tech­ni­sche und prak­ti­sche Mach­bar­keit von EU-CBAM eine gros­se Her­aus­for­de­rung dar.

Kom­pa­ti­bi­li­tät mit WTO-Recht wei­ter­hin un­ge­klärt

Dar­über hin­aus for­dert die Schwei­zer Wirt­schaft in der Kli­ma­po­li­tik grund­sätz­lich ein in­ter­na­tio­nal ab­ge­stimm­tes Vor­ge­hen. Die Ver­ein­bar­keit von EU-CBAM mit WTO-Recht ist der­zeit noch völ­lig offen, ver­bie­tet Letz­te­res doch grund­sätz­lich die Dis­kri­mi­nie­rung zwi­schen Han­dels­part­nern und eine Un­gleich­be­hand­lung von ein­hei­mi­schen und im­por­tier­ten Gü­tern. Aus­ser­dem be­steht bei CO₂-Grenz­aus­gleich­me­cha­nis­men die Ge­fahr von Han­dels­kon­flik­ten. Die WTO selbst hat mehr­fach dar­auf hin­ge­wie­sen. Auch bei un­ter­stüt­zens­wer­ten Zie­len muss die Kon­gru­enz mit in­ter­na­tio­na­lem Recht stets ge­währ­leis­tet sein. Viele WTO-Mit­glie­der leh­nen EU-CBAM denn auch klar ab.

Ver­schär­fung des Emis­si­ons­han­dels­sys­tems und neuer Kli­ma­so­zi­al­fonds

Neben der Ein­füh­rung von EU-CBAM hat der EU-Tri­log auch grund­le­gen­de Re­for­men für das EU-Emis­si­ons­han­dels­sys­tem (EU-EHS) her­vor­ge­bracht. So soll das CO₂-Re­duk­ti­ons­ziel für die EHS-Sek­to­ren bis 2030 (ge­gen­über 2005) auf 62 Pro­zent er­höht wer­den – eine deut­li­che Stei­ge­rung ge­gen­über dem bis­he­ri­gen Ziel von 43 Pro­zent. Um dies zu er­rei­chen, wird die Zahl der ver­füg­ba­ren CO₂-Zer­ti­fi­ka­te re­du­ziert, näm­lich um 90 Mil­lio­nen im Jahr 2024 und noch­mals um 27 Mil­lio­nen im Jahr 2026. Gleich­zei­tig wird der li­nea­re Re­duk­ti­ons­fak­tor von ak­tu­ell 2.2 Pro­zent pro Jahr auf 4.3 Pro­zent zwi­schen 2024 und 2027 und 4.4 Pro­zent ab 2028 er­höht. Dar­über hin­aus hat die EU die Ein­füh­rung eines zwei­ten Emis­si­ons­han­dels (EU-EHS II) für das Hei­zen von Ge­bäu­den und den Ver­kehr be­schlos­sen.

Um die stei­gen­den Be­las­tun­gen für EU-Haus­hal­te aus­zu­glei­chen und In­ves­ti­tio­nen zu för­dern, will die EU schliess­lich ab 2026 einen neuen Kli­ma­so­zi­al­fonds äuf­nen. Dafür sind rund 87 Mil­li­ar­den Euro vor­ge­se­hen, fi­nan­ziert durch Ein­nah­men aus dem Emis­si­ons­han­del und teil­wei­se auch durch die EU-Mit­glied­staa­ten.