Eine neue Weltwirtschaft im Klimadialog

Klima- und Umweltfragen stehen am diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos im Zentrum – und auch die Frage, welche Rolle «die Wirtschaft» einnehmen soll. Mit einem eigens lancierten «Davos Manifest 2020» soll aufgezeigt werden, wie die Unternehmen zu einer nachhaltigeren Welt beitragen können. Dabei geht es nicht um einen moralischen Appell, sondern um eine moderne Weltwirtschaft, die der Gesellschaft verpflichtet ist. 

Am diesjährigen Weltwirtschaftsforum (WEF) gibt es nicht nur ein Jubiläum zu feiern, es wird auch ein neues «Manifest» lanciert. Damit soll der Zweck des unternehmerischen Handelns («Purpose») gemeinsam diskutiert und geklärt werden. Die Teilnehmenden richten dabei den Blick auf eine moderne Weltwirtschaft mit nachhaltigen Wertschöpfungsketten – auf Unternehmen, die sich einer breiten Interessengruppe verpflichtet fühlen und nicht nur ihren Geldgebern («Shareholder Value»). Letztlich wird die grundlegende Frage diskutiert, wie Unternehmen zu einer nachhaltigeren Welt beitragen können. Dabei geht es nicht um einen moralischen Appell oder eine Verzichtsdiskussion, zumindest nicht vonseiten der Organisatoren. Kein Unternehmen kann dauerhaft erfolgreich sein, wenn es sich ausschliesslich von Finanzzielen leiten lässt. Finanzieller Erfolg ist zwar wichtig, aber immer nur ein Resultat von motivierten Mitarbeitenden, die für zufriedene Kunden sorgen, was wiederum die Basis für unternehmerischen Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit legt. 

Die Wirtschaft ist Treiber der Veränderung.

Es braucht die Dynamik der Weltwirtschaft und es braucht eine neue Form von Wachstum, damit vermehrt in Nachhaltigkeit investiert werden kann. Dabei müssen nicht die marktwirtschaftlichen Prinzipien infrage gestellt oder die Ökonomie neu erfunden werden. Vielmehr braucht es eine Weiterentwicklung des Verständnisses und die breite Einsicht, dass ein modernes Unternehmen nicht nur seinen Aktionären dient, sondern allen Interessengruppen – also auch den Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten, dem lokalen Gemeinwesen und der Gesellschaft als Ganzem. Gemäss Klaus Schwab, Gründer des WEF, muss «ein Unternehmen Mitarbeiter mit Würde und Respekt behandeln, Konkurrenten achten, neuen Marktteilnehmern Chancen einräumen, Menschenrechte entlang der Lieferkette sichern und Datensicherheit gewährleisten».

Aus wirtschaftlicher Perspektive geht es dabei nicht um Altruismus oder um eine neue betriebswirtschaftliche Logik. Die Beteiligten müssen erkennen, dass der Klimawandel und andere Nachhaltigkeitsthemen eine Form von Investitionsrisiken darstellen und dass es dadurch zu grossen nationalen und weltweiten Kapitalverschiebungen kommen wird. Auch der «Shareholder Value» wird gefährdet, wenn die Wirtschaft den Ansprüchen der Gesellschaft nicht entspricht. Aus diesem Grund steht das neue Ökonomieverständnis nicht im Widerspruch zum heute Bestehenden. 

Die Schweiz ist Vorbild – nicht bloss in der Klimapolitik.

Die Ambition, die Schweiz müsse Vorbild sein, höre ich oft. Eigentlich ist es ja vermessen für einen Staat, der gerade mal etwa ein Promille der Weltbevölkerung ausmacht. Aber für einmal stehen die Chancen tatsächlich gut, da der Anlass hier in der Schweiz stattfindet. Dies zwingt die globalen Entscheidungsträger schon mal, zwischen der Schweiz, Schweden oder Swaziland (seit 2018 offiziell Königreich Eswatini) unterscheiden zu können. Aber auch sonst geniesst die Schweiz weiterhin einen guten Ruf als internationale Vermittlerin, als fortgeschrittene Volkswirtschaft und als Land, in dem die (Um-)Welt noch in Ordnung ist. Wir sind uns gewohnt, über unterschiedliche Regionen und Sprachgrenzen hinaus eine gemeinsame Politik zu finden.

Wir kursieren in internationalen Nachhaltigkeitsrankings auf den obersten Rängen und haben bereits heute sämtliche wirksamen Instrumente der Klimapolitik im Einsatz. Zudem haben wir in der Schweiz ein Modell entwickelt, das anderen Ländern die Einführung einer CO2-Abgabe erleichtern könnte: das Modell der Zielvereinbarungen. Auch wenn wir sehr selbstkritisch sind, geniessen wir auf dem internationalen Parkett eine hohe Glaubwürdigkeit. Die Schweiz soll deshalb nicht nur als Gastgeberin, als Diplomatin und als Vermittlerin auftreten, sondern auch als glaubwürdiger Partner und «Enabler» einer gemeinsamen weltweiten Klimapolitik sowie als Vorbild einer modernen Volkswirtschaft.