Eine detaillierte und ausgewogene Gesamtanalyse aus Sicht der Europapolitik

Heute hat die SVP die Unterschriften für ihre Kündigungsinitiative eingereicht. Damit soll die Personenfreizügigkeit gekippt werden. Nach guten Alternativvorschlägen sucht man vergeblich.

Ich hatte dieses Sommerhalbjahr echt Pech. Unser Rasenmäher fiel mehrfach aus, natürlich immer am Freitagabend oder am Samstagmorgen. Nein, es liegt nicht am Alter, die Garantie läuft noch. Also einpacken und zur Reparatur bringen – und das Ganze drei Mal. Es ist gut, wenn man sich in solchen Situationen auf einen Ersatz verlassen kann.

economiesuisse wird den bilateralen Weg der Schweiz verteidigen und diese Volksinitiative bekämpfen.

Sie fragen sich jetzt wohl, wieso ich Ihnen das alles erzähle. Heute hat die SVP ihre Kündigungsinitiative eingereicht. Diese ist ein frontaler Angriff auf die heutige Europapolitik, welche die Schweiz und die EU nach dem EWR-Nein vor über 25 Jahren gemeinsam entwickelt haben. Der bilaterale Weg hat sich dabei als Alternative zur EU-Vollmitgliedschaft und EWR-Teilnahme als pragmatische Lösung bestätigt. Mit der Kündigung der Freizügigkeit würden auch die anderen Abkommen der Bilateralen I hinfällig, da sie in einem Paket miteinander verknüpft sind. Politisch ist eine mehrjährige Blockade absehbar. Die Folgen hier sind weitaus gravierender als bei meinem kaputten Rasenmäher und ein guter Ersatz für den bewährten bilateralen Weg umso bedeutender. Doch welche Ersatzlösung bietet die SVP?

Der bilaterale Weg hat sich als Alternative zur EU-Vollmitgliedschaft und EWR-Teilnahme als pragmatische Lösung bestätigt.

Person mäht den Rasen

Wer etwas ändern will – und das soll man immer tun können –, der muss vorher klare Ideen für eine bessere Lösung präsentieren. Wie beim ausgefallenen Rasenmäher braucht es einen Ersatz im Falle einer Annahme der Kündigungsinitiative. Der Rasen soll gepflegt werden respektive unsere Unternehmen brauchen den Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Und dieser Ersatz sollte besser sein als die heutigen bilateralen Abkommen. Und der Ersatz sollte auch realisierbar sein, zeitnah. Sollten wir die Initianten nicht zu diesen Punkten genauer fragen? Schliesslich ist die Kündigung des bilateralen Wegs in seiner heutigen Form ihre Idee. Was wird denn konkret besser? Bis jetzt konnten die angebotenen «Ersatzgeräte» der SVP mit den Leistungswerten des bestehenden Produkts jedoch bei Weitem nicht mithalten.

Unsere Firmen brauchen den Zugang zum europäischen Binnenmarkt.

Und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich jeweils keine Freudenschreie von mir gab, wenn unser Rasenmäher mal wieder ausfiel. Auch bei der heutigen Europapolitik gibt es nicht nur Jubel und Fanfaren. Aber es gibt zwei grosse Unterschiede zur neusten Volksinitiative: Wir haben gegenüber der EU weder einen Anspruch auf Garantie noch auf eine Ersatzlösung, wenn wir die Bilateralen mutwillig kippen. Die SVP sollte mal ganz konkret bessere Varianten vorstellen, die sich dann auch umsetzen lassen. Das Denken in Varianten ist ein nützliches Prinzip. Hülsen wie «umfassendes Freihandelsabkommen», «Gotthard blockieren» oder «mal hart verhandeln» taugen nicht annähernd als Ersatz für ein existierendes und funktionierendes Vertragswerk, das in 25 Jahren laufend weiterentwickelt worden ist.

Wir haben gegenüber der EU weder einen Anspruch auf Garantie noch auf eine Ersatzlösung, wenn wir die Bilateralen mutwillig kippen.

economiesuisse wird den bilateralen Weg der Schweiz verteidigen und diese Volksinitiative bekämpfen – wieder einmal. Es ist nicht der erste Angriff. In den letzten Jahren lancierten rückwärtsgewandte Kreise immer wieder Volksinitiativen oder ergriffen Referenden, die direkt oder indirekt die Kündigung der Bilateralen zum Ziel hatten. So in den Jahren 2009 (Referendum), 2014 (Masseneinwanderungsinitiative) und auch dieses Jahr («Selbstbestimmungs»-Initiative).

Übrigens verlief der erste Schnitt mit dem frisch reparierten Rasenmäher reibungslos. Der Rasen ist nun bereit für den Herbstdünger – aber damit verschone ich Sie jetzt…