Die Reform der Altersvorsorge ist dringender denn je
Mit Anhörungen in der Ständerats-Kommission für soziale Sicherheit beginnt kommenden Montag die Beratung der AHV-Reform im Parlament. Wenn nichts unternommen wird, ist der AHV-Fonds bis 2030 leer. Die AHV muss finanziell entlastet werden, am ehesten über die Erhöhung des Rentenalters. Eine weitere einseitige Steuer- oder Abgabenerhöhung wäre eine zu grosse Belastung für Bevölkerung und Wirtschaft.
Die Reform der Altersvorsorge ist eine der dringendsten Herausforderungen in der aktuellen Zeit. Die finanzielle Situation der AHV verschlechtert sich seit 2014. Mit der steigenden Lebenserwartung und dem demografischen Wandel, der sich in den nächsten Jahren mit der Pensionierung der Babyboomer akzentuiert, fehlen der ersten Säule immer mehr Einnahmen, um die steigenden Ausgaben zu decken.
Ohne Erhöhung des Rentenalters geht es nicht
Die Corona-Krise unterstreicht, was eigentlich seit Langem klar ist: Ohne strukturelle Massnahmen, namentlich einer Erhöhung des Rentenalters, geht es nicht. Steuererhöhungen allein können die AHV nicht stabilisieren, oder nicht zu Kosten, die für die Bevölkerung und die Wirtschaft tragbar sind. Das gilt in «normalen» Zeiten, und erst recht in der Krise, die uns absehbar noch länger beschäftigen wird.
Nach gescheiterten Reformversuchen hat der Bundesrat vor einem Jahr erneut eine Vorlage zur finanziellen Sicherung der AHV vorgeschlagen. Der Entwurf ist aus Sicht der Wirtschaft viel zu stark auf eine Zusatzfinanzierung der AHV über die Mehrwertsteuer ausgerichtet (Erhöhung um 0,7 Prozentpunkte). Einzig die Angleichung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre ist eine Anpassung, die die Finanzierung der AHV grundlegend und dauerhaft verbessert. Begleitmassnahmen sowie weitere in der Reform enthaltene Vorschläge (z.B. Flexibilisierung Rentenbezug) sind jedoch mit Kosten verbunden, welche die Einsparungen mehrheitlich wieder zunichte machen. Angesichts der enormen finanziellen Herausforderung kann sich die AHV solche Mehrausgaben nicht leisten.
Ausgewogener Massnahmenmix führt zum Ziel
Mit der AHV-Steuervorlage haben Bevölkerung und Wirtschaft einen finanzierungsseitigen Vorschuss in Milliardenhöhe geleistet. Eine weitere Zusatzfinanzierung ohne leistungsseitige Massnahmen in mindestens der gleichen Höhe ist deshalb abzulehnen. Um den demografischen und finanzpolitischen Realitäten Rechnung zu tragen, braucht es einen ausgewogenen Massnahmenmix. Soll die Entlastung der AHV im bescheidenen Umfang bleiben, wie sie der Bundesrat in der Vorlage vorschlägt, so dürfte die MWST-Erhöhung nicht mehr als 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte betragen. In diesem Fall braucht es zeitnah eine weitere Reform, weil die AHV in wenigen Jahren erneut in finanzielle Probleme kommen würde.
Rentenalter abhängig von Lebenserwartung
Ein Projekt, das die demografischen Probleme der AHV längerfristig angeht, ist beispielsweise die Renteninitiative der Jungfreisinnigen. Nach einer schrittweisen Erhöhung bis zum Rentenalter 66 für Frauen und Männer würde das Rentenalter flexibel an die Lebenserwartung gekoppelt. Eine unkomplizierte Lösung, welche die Finanzierung der AHV nachhaltig und generationenübergreifend sichert, ohne dass laufend über weitere Reformen oder Steuererhöhungen diskutiert werden muss. Auch die OECD schlägt unter anderem diese Massnahmen vor, um die Schweiz auf eine alternde Bevölkerung vorzubereiten.