Die Energiewende als Zeitenwende

Seit Jahren ist das energiepolitische Mantra der Wirtschaft sehr einfach: Sauber, preisgünstig und ausreichend vorhanden muss die Energie sein, damit der Werk- und Arbeitsplatz Schweiz attraktiv bleibt. Der Weg zu diesem Ziel ist jedoch holprig und in jüngster Vergangenheit hat sich die Zahl der Schlaglöcher markant erhöht: Zwar ist wieder Bewegung im Europadossier, aber der Anschluss ans Europäische Stromnetz und Winterimporte sind noch nicht gesichert. Zudem ist die Versorgungssicherheit mit sauberem Strom ein unabdingbares Ziel.

Der letzte Winter, über welchem bedrohlich das Damokles-Schwert der Strommangellage schwebte, hat uns die Wichtigkeit der Stromversorgung nachdrücklich aufgezeigt. Sauberer Strom ist wie das Blut in den Adern unserer Wirtschaft und Gesellschaft – ohne ihn ist das Erfolgsmodell Schweiz in Gefahr.

Versorgungssicherheit ist die Voraussetzung

Und diese Gefahr ist akut, denn um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen wir unsere Stromproduktion bis 2050 verdoppeln. Eine immense Herausforderung. Zu allem anderen pflügen unsere Nachbarländer seit dem russischen Angriff auf die Ukraine auch noch die Energiemärkte um – Subventionen und Industriepolitik dienen als Beruhigungsmittel. Unter diesen Voraussetzungen sind die fachlichen und politischen Diskussionen um die Energiezukunft so komplex und volatil geworden, dass zeitweise auch das Parlament den Überblick verliert.

Die Versorgungssicherheit ist Voraussetzung für Klimaneutralität. Ohne Versorgungssicherheit mit sauberem Strom sind jegliche Netto-Null Bestrebungen zum Scheitern verurteilt, denn Dekarbonisierung setzt Elektrifizierung voraus. Umgekehrt bedroht das Netto-Null Ziel aber nicht die Versorgungssicherheit. Fossile Energien, auf die wir beispielsweise bei Benzinautos und Ölheizungen momentan noch zurückgreifen müssen, sind veraltet, ineffizient und teuer. Mit neuen, sauberen und strom- basierten Technologien fahren wir langfristig billiger und brauchen gesamthaft sogar noch weniger Energie als heute.

Die Energie ist nicht mehr eine «commodity », ein Allerweltsprodukt, das «einfach da» ist. Für die Schweiz heisst das, dass Strom immer mehr zum Standortfaktor wird. Sie braucht jetzt viel von allen sauberen Stromquellen. Dass dabei auch die Kernkraft eine wichtige Rolle spielt, hat die EU erkannt und will in Kernkraft als «essenzielle Technologie für Netto Null» investieren. Aber auch Unternehmen müssen vorausschauen. Neben den Finanz- und Materialflüssen wollen auch die Energieflüsse einer Firma strategisch weitsichtig geplant sein. Wer seine Emissionen und seine Energieversorgung nicht als «Beigemüse », sondern als zentralen Bestandteil des Geschäftsmodells versteht, wird sich einen strategischen Vorteil sichern – das gilt für Länder und Unternehmen gleichermassen. Ohne Versorgungssicherheit mit sauberem Strom sind alle Netto- Null-Bestrebungen zum Scheitern verurteilt.

Leuchtturmprojekt Nachhaltige Energiespeicherung mit Ethanol

Die vermehrte Nutzung erneuerbarer und fossilfreier Energiequellen bildet den Schlüssel zu einer ökologisch verträglichen Energieerzeugung. Dieser Wandel stellt sowohl Produzenten als auch Konsumenten vor eine weiterführende Herausforderung: Wie kann das Problem der effizienten Speicherung, Verteilung und Nutzung von erneuerbarer Energie gelöst werden.

Fotovoltaikanlagen generieren tagsüber Energie aus dem einstrahlenden Sonnenlicht, Wasserkraftwerke setzen auf die kinetische Energie von Fliessbewegungen, und Windturbinen erzeugen Strom bei windigen Bedingungen. Das Problem manifestiert woanders. Die Möglichkeiten zur Speicherung erneuerbarer Energie sind begrenzt und führen zu einer Diskrepanz zwischen Angebot und Bedarf. Die erzeugte Energie steht potenziell zur Verfügung, auch wenn sie nicht benötigt wird.

«Methanology», ein Cleantech- Start-up in Neuhausen am Rheinfall, hat sich dieser Herausforderung angenommen und einen methanolbasierten Energiespeicher kreiert, der überschüssigen Strom in flüssiges «e-Methanol» umwandelt. Dieser Energiespeicher schliesst die Lücke zwischen Energieerzeugung und Energiebedarf und ermöglicht vielseitige Nutzungsmöglichkeiten, von Heizung über Stromerzeugung bis hin zu industriellen Anwendungen. Die Plattformtechnologie befindet sich noch in der Entwicklung, erste Pilotanlagen für Industriekunden sollen 2025/26 in Betrieb gehen.

Erneuerbares Methanol bietet den Vorteil der einfachen Lagerung und kann die vorhandene Infrastruktur für Kraft- und Treibstoffe nutzen. Die steigende Nachfrage nach erneuerbarem Methanol in Industrie, Schifffahrt und Luftfahrt unterstreicht dessen vielseitige Anwendungsmöglichkeiten.

 

Die Erstpublikation dieses Textes erfolgte am 19. Januar 2024 in den Schaffhauser Nachrichten.