Agrarinitiativen verstossen gegen internationale Abkommen

Sollen die Medien darüber berichten, wenn eine oder gleich mehrere Volksinitiativen nicht oder nur mit grossem Schaden für das Land umsetzbar sind?

So viel ist klar: Die Volksinitiative «Für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft betrifft uns alle» und die «Fair-Food»-Initiative sind so nicht umsetzbar, da sie gegen das WTO-Agrarabkommen, das Agrarabkommen mit der EU und gegen verschiedene Freihandelsabkommen verstossen. Den Medien ist das scheinbar egal. Das Thema wird von ihnen – mit wenigen Ausnahmen – links liegen gelassen. So sind spätere Empörungen bei einer allfälligen Annahme vorprogrammiert: Der Gesetzgeber müsste bei einer Annahme nach alternativen Umsetzungen suchen. Solche Alternativen kämen uns teuer zu stehen; sie wären wohl von Konsumenten und Steuerzahlern zu berappen. Und: Sie stünden auch nicht im Einklang mit den vom Volk angenommenen Initiativen.

Bei der handelspolitischen Auslegeordnung sind drei Rechtsgebiete zu beachten: Erstens das WTO-Recht, zweitens die bestehenden Abkommen mit der Europäischen Union und drittens weitere Freihandelsabkommen der Schweiz.

Im WTO-Recht ist das Agrarabkommen elementar und muss von allen WTO-Mitgliedern eingehalten werden. Ausnahmen gibt es nicht. Nach WTO-Recht können die physikalischen Eigenschaften des importierten Produkts, nicht jedoch die Art und Weise der Produktion als Entscheidungskriterium für die Importbewilligung vorgeschrieben werden. Auch die Volksinitiative über Ernährungssouveränität widerspricht dem WTO-Recht. Würde die Schweiz nun nach Annahme einer der beiden Initiativen WTO-Recht brechen, dann riskiert die Schweiz, bei einer Klage zu verlieren. Die Schweiz müsste korrigieren. Es wäre also nichts gewonnen. Muss dies das Stimmvolk nicht vor der Abstimmung wissen?

Das zweite Rechtsgebiet betrifft das Freihandelsabkommen und das Agrarabkommen mit der EU: Beim Agrarabkommen 1999 ist die Gleichwertigkeit der Regeln zentral: Wenn die Schweiz einseitig spezifische Importrestriktionen oder gar -verbote in den bereits geöffneten Bereichen erlässt, die von den europäischen Vorschriften abweichen, wird die Gleichwertigkeit der Regeln des gegenseitigen Marktzugangs verletzt. Kommt hinzu, dass bereits das Freihandelsabkommen der Schweiz mit der EU von 1972 die Einführung von neuen Zöllen und weiteren Importrestriktionen bei landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen untersagt. Damit stehen die Bilateralen I auf dem Spiel, von denen das Agrarabkommen ein Teil ist. Ebenso das Freihandelsabkommen von 1972 mit der EU. Die Schweiz müsste und würde zurückkrebsen. Das Stimmvolk sollte das vor der Abstimmung wissen.

Drittens verbieten Efta-Freihandelsabkommen, welche die Schweiz mit Drittstaaten abgeschlossen hat, die Erhöhung von Importrestriktionen bei landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen. Die Erhöhung der Zölle – oder gar Einfuhrverbote – zur Förderung der inländischen Produktion und einer sozialverträglichen und ökologischen Landwirtschaft würde wie in den beiden erstgenannten Rechtsgebieten gegen bestehende Abkommen der Schweiz verstossen. Ebenso neue Importrestriktionen. Wer informiert eigentlich das Stimmvolk darüber?

Aus handelspolitischer Sicht sind beide Volksinitiativen abzulehnen. Tatsächlich betreffen diese Volksinitiativen uns alle – und zwar negativ: Da die Schweiz als Exportnation auf den Zugang zu ausländischen Märkten existenziell angewiesen ist, kann sie sich den Bruch ihrer internationalen Verpflichtungen gar nicht leisten. Versucht sie es trotzdem, dürfte sie in der WTO, durch die EU und die Partnerstaaten von Freihandelsabkommen unter starken Druck geraten. Angesicht der volkswirtschaftlichen Interessen ist dies keine taugliche Option. Wenn Volksinitiativen unter Wahrung des Landesinteresses nicht umsetzbar sind, ist deren Ablehnung schlicht ein Gebot der Vernunft. Und die Medien sollten das thematisieren – besser vor als nach der Abstimmung.

Landwirtschaft